Laudatio Taglinger: Das Dorf
"Das Dorf entsteht im Kopf. Ein Mann spult zu jedem Bewohner einen Satz herunter, vermeintlich neutral, aber nichts Positives bleibt hier schließlich am Leben. Stattdessen beschreibt er eine verzweifelte, aussichtslose Lage, in der die Menschen unauflöslich an ihre persönlichen Schicksale gekettet sind, und so wirkt seine Aufzählung zunehmend ratlos, betroffen, verzagt. Sein Dialekt verrät, dass er früher vielleicht einmal selbst dazugehörte, zu diesem Dorf — heute aber löst es nur noch Erschütterung in ihm aus, und so handelt es sich hier wohl um die Tragödie einer verlorenen Liebe, nämlich zwischen einem Menschen und seiner Herkunft. Die Musik kommentiert die Schattierungen der Distanzierung und Enttäuschung; manchmal scheint sie einzelne Schicksale kurz aufzugreifen, zu illustrieren, aber sie tut dies ohne Pathos und hält jene Distanz, die der Mann nicht findet. Anders als der Mann kommt sie der Tragödie um die verlorene Liebe nahe, ohne sich selbst zu verlieren."
Dr. Golo Föllmer, Medien- und Kommunikationswissenschaften Universität Halle