Destruktionskunst – Destruction In Art Loopspool: Beschleunigter Zerfall. Piano Destruction Concert 1966. Remix
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Interview mit Loopspool
Was stand für dich beim Remixen im Vordergrund? Welche Aspekte wolltest du verstärken?
Mir war es wichtig, dass der dokumentarische Charakter, der die Originalaufnahmen kennzeichnet, erhalten bleibt. Die Authentizität des Zeitbildes, das durch diese "Fieldrecordings" vermittelt wird, empfand ich als einen der interessantesten Aspekte des Ursprungs-Materials. Ich hielt es allerdings für sinnvoll, das Wesentliche der in den Aufnahmen enthaltenen Informationen herauszuschälen und zu ordnen, um eine in sich schlüssige Struktur des Hörstücks zu entwickeln. Die musikalische Dramaturgie ergab sich weitestgehend aus dem jeweiligen Charakter der einzelnen Passagen - die reißerischen Ansagen des Reporters, die brachialen Axthiebe, Ortiz' ruhige, rhythmisch strukturierte Sprache - dessen Wirkung ich durch die unterlegte Musik zu verstärken versucht habe. Dabei kam es mir darauf an, die einzelnen Aussagen und Geräusche nicht nur musikalisch zu illustrieren und zu kommentieren, sondern sie möglichst soweit in die Musik zu integrieren, dass ein neues geschlossenes Hörbild entsteht.
Wenn du das Piano Destruction Concert von 1966 heute hörst - was löst das bei dir aus? Hat es noch eine zeitgemäße Kraft oder Ästhetik für dich? Oder gehört es deiner Meinung nach in ein Soundmuseum?
Jedes Kunstwerk ist naturgemäß an seine Entstehungszeit gekoppelt und seine Bedeutung ändert sich mit dem sich verschiebenden Rezeptionsblickwinkel späterer Epochen. Ich denke, ein aktionistisches Destruktions-Konzert wie dieses hätte heute kaum eine Relevanz. Die Entscheidung, Destruktion als Medium in die Kunst einzuführen, war nur deshalb von so radikaler Schärfe, weil sie genau zu dem damaligen Zeitpunkt der folgerichtige Schritt in der sich vollziehenden Moderne war.
Das Piano Destruction Concert ist für mich mit dem Zeitgeist der 60er Jahre verbunden und würde tatsächlich ins musikalische Kuriositätenkabinett gehören, wenn es sich allein in diesem Kontext erschöpfte. Für mich enthält das Kunstwerk aber Motive, die über die künstlerische Debatte zu jener Zeit hinausweisen. Die Konfrontation mit dem Gewaltpotential des Menschen, die Ortiz vorführt und intendiert, ist eine zeitübergreifende Konstante. Der brachialen Intensität der Töne, die Ortiz dem Piano abringt indem er es vergewaltigt, kann man sich kaum entziehen - sie versetzen auch den heutigen Hörer in einen Zustand gebannten Erschauderns und haben nichts von ihrer Kraft eingebüßt. Einen präventiven Kommentar zur Apokalypse abgeben zu wollen und dabei zugleich Teil dieser zu werden, ist das Dilemma, das ich in der Destruktionskunst sehe. Dass Ortiz die Struktur, die er zerstört, gleichsam erhöht und bestätigt, ist die sublime Botschaft dieser Aktion und so hinterlässt er uns auch die (Wieder-)Entdeckung des Wertes: Piano.
Deine elektronischen Stücke haben manchmal ja auch etwas Brachiales - siehst du dich in einer gewissen Hinsicht in einer Tradition des Destruktiven in der Kunst/Musik bzw. gibt es Aspekte des Destruktiven in deiner Musik?
Es gibt sicher destruktive Aspekte in meiner Musik, aber ich sehe mich nicht in einer Tradition des Destruktiven im Sinne eines musikalischen Konzeptes. Des Weiteren finde ich es wichtig, zwischen Aggression und Destruktion zu unterscheiden. Erstere ist Voraussetzung für letztere und ist für mich das grundlegendere Prinzip.
Aggression als Wesenszug des Menschen eine künstlerische Form zu geben, wie Ortiz es auf denkbar radikale Art getan hat, ist in der populärer Musik ein gängiges Prinzip. Der aggressive Gehalt einer musikalischen Struktur kann, wie man weiß, beim Musiker wie beim Hörer zu einer rituellen Entäußerung seines Aggressionspotenzials führen, die gelegentlich ungeahnte Glücksgefühle freisetzt. Ortiz hat diesem Prinzip ritualisierter Aggression ein Denkmal gesetzt.
Interviewfragen: Katarina Agathos, Chefdramaturgin BR Hörspiel und Medienkunst