Bayern 2 - Hörspiel


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Karl Bruckmaier Jedenfalls Krähen. Ein Hörspiel für Peter Weiss

Stand: 10.11.2016

Peter Weiss | Bild: picture-alliance/dpa

Dreißig Jahre und länger sucht Peter Weiss sein Auskommen, sein Einkommen, sein Fortkommen als Malender. Als Jugendlicher entstehen die ersten Bilder und noch der erfolgreiche Theaterautor wird letzte Collagen anfertigen. Ein halbes Künstlerleben verstreicht hier ohne Anerkennung durch Dritte, ohne Publikum und auch ohne kritischen Zuspruch. Aber auch: ohne eigene Bildsprache. In den fünfziger Jahren unternimmt Weiss einen Zwischenschritt als Filmemacher, doch die Unvereinbarkeit von künstlerischer Intention und der Realität des Filmgeschäfts lässt ein Scheitern früh ahnen. Erst das Schreiben, bei Peter Weiss auch ein Malen nach Vokalen, bringt die ersehnte und verdiente Anerkennung, ermöglicht das selbstbestimmte Leben als originärer Künstler. Seine frühen, oft autobiographisch durchwirkten Erzählungen, seine triumphal aufgenommenen Theaterarbeiten, sein in deutscher Sprache monolithisch aufragender Roman von der Ästhetik des Widerstands – im fortgeschrittenen Mannesalter findet Weiss künstlerisch wie materiell, worum er zuvor ein halbes Leben lang gerungen hat: seine eigene Stimme, seinen Platz in der Kunst.

In Jedenfalls Krähen unternimmt Karl Bruckmaier den Versuch, noch einmal einen akustischen Blick zu werfen auf diese dreißig Jahre der Malerei. In einem ersten Schritt fertigte der Autor und Hörspielregisseur, der bereits Weiss‘ Ästhetik des Widerstands sowie Abschied von den Eltern für das Hörspiel bearbeitete, Bildbeschreibungen von einhundert Gemälden, Fotografien und Film-Stills an, die in einem zweiten Schritt und nach dramaturgischer Rückversicherung reduziert wurden auf assoziative Zeilen, auf Einwürfe und auf Abschweifungen, die in parallele Wirklichkeiten weisen. Diese Schlaglichter auf die Bilder eines Peter Weiss wurden dann quasi in Werkgruppen geordnet und – in einem dritten Schritt – den improvisatorischen Fähigkeiten des Schauspielers Sebastian Weber anvertraut. Im Zusammenspiel mit einem Pionier der frei improvisierten Musik in Europa, mit Sven-Åke Johansson, der als im deutschen „Exil“ lebender Schwede eine Art spiegelverkehrter Biographie zu Peter Weiss aufweist, erhalten die Texte zu Weiss‘ Bildern schließlich einen klanglichen Körper, um diese in dem einer Bildbeschreibung eigentlich wesensfremden Medium Rundfunk erfahrbar werden zu lassen. Verteilt über Jedenfalls Krähen kommen dazu Bildende Künstler zu Wort, die in spontanen Bildbeschreibungen einen ersten Blick auf die Arbeiten ihres Malerkollegen werfen: kundige Besucher in einem fiktiven Atelier.

Karl Bruckmaier: Jedenfalls Krähen - Ein Hörspiel für Peter Weiss

Mit Sebastian Weber

Realisation: Karl Bruckmaier
BR 2016

Peter Weiss, geb. 8. November 1916 in Nowawes bei Berlin (heute Neubabelsberg), gest. 1982 in Stockholm. Aufgewachsen in Berlin und Bremen. 1935 Emigration nach England. Besuch der Politechnic School of Photography. 1936 Emigration nach Prag. Studium an der Prager Kunstakademie. 1938/1939 Emigration über die Schweiz nach Schweden. Ab 1939 zeitweise Arbeit als Textildrucker und Musterzeichner. 1941 erste schwedische Bilderausstellung in Stockholm. 1942 Gaststudent an der Stockholmer Kunstakademie. 1944 Umzug nach Stockholm. Ab 1946 Prosaarbeiten. Schwedische Staatsbürgerschaft. 1952–60 Realisation mehrerer Dokumentar- und Experimentalfilme. Ab 1960 Buchveröffentlichungen im Suhrkamp-Verlag. 1963 Beginn der Arbeit am Theaterstück Marat/Sade. Von 1964–71 zahlreiche politische Dramen und theoretische Schriften. 1972–81 Arbeit an dem trilogischen Romanwerk Die Ästhetik des Widerstands. Auszeichnungen u.a. Lessingpreis der Hansestadt Hamburg (1965), Thomas-Dehler-Preis (1978), Georg-Büchner-Preis (1982; postum).


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