Hörspiel: "Das Schloss" Warum Asterix und Obelix es in Kafkas Schloss geschafft hätten
Im Kampf gegen die Pandemie läuft die Bürokratie zur Hochform auf – und wir verzweifeln auf der Suche nach dem "Passierschein A 38". Passend zur Verlängerung des Lockdowns gibt es jetzt Kafkas Roman "Das Schloss" als Hörspiel.
Wir leben in Kafkaesken Zeiten. Es ist der 41. Dezember 2020. Die Zeit wird nur noch gefühlt. Der Lockdown zermürbt unser Hirn. Wir dürfen ins Großraumbüro – aber wir dürfen niemanden treffen.
Andere Regeln leuchten schneller ein. Wie zum Beispiel das Maskentragen. Oder das Verbot von Orgien. Manche Sicherheitsmaßnahmen aber trieben absurde Blüten. Zu Beginn der Pandemie etwa twitterte die Polizei München: "Nein, ein Buch auf einer Bank lesen ist nicht erlaubt." Denn sitzend zu lesen, das war ja quasi schon Verweilen. Und Verweilen im öffentlichen Raum war verboten. Immerhin wurde schnell nachjustiert und Söder erklärte, man dürfe durchaus im Sitzen verweilen und ein Buch lesen.
Der Lockdown als Kafkaeske Erfahrung
Nun kommt der 15 Kilometer Radius. Nicht 14. Nicht 16. Irgendwo muss man die Grenze ja ziehen. Verständlich. Aber wenn man auf dem Dorf wohnt und die nächste Tankstelle 16 Kilometer entfernt ist – tja nun. Aber die moderne Bürokratie meint es ja nur gut. Das System will uns doch nur helfen. Warum kann der Mensch das nicht verstehen?
Wann immer der Mensch an der Bürokratie verzweifelt, am System und schließlich an sich selbst, dann sprechen wir von kafkaesken Zuständen. Aber die kafkaeske Welt gibt es nicht erst seit den 1920ern. Die Schöpfer von "Asterix und Obelix" wussten, dass es bereits im alten Rom kafkaesk zugehen konnte. Im Zeichentrickfilm "Asterix erobert Rom" von 1976 wollen die Helden gegen die Götter antreten – und müssen dafür unmögliche Prüfungen bestehen. Um den Wettkampf zu gewinnen, sollen sie auch den "Passierschein A 38" besorgen.
Die Suche nach dem Passierschein A 38
Asterix und Obelix betreten dazu "Das Haus, das Verrückte macht". Sie betreten die Behörde. Und erleben eine Odyssee. Sie werden von Schalter zu Schalter geschickt, von Antragsformular zu Antragsformular, kreuz und quer durch das Verwaltungsgebäude. Nicht umsonst gilt diese Episode unter Fans als Hommage an "Das Schloss", dem wohl kafkaeskesten Roman von Franz Kafka, der 1926 postum erschien.
Sind wir nicht alle ein bisschen K.?
Das geheimnisvolle Schloss wurde noch nie zuvor von einem Dorfbewohner betreten. Es gibt zu viele Regeln, die niemand kennt, geschweige denn, versteht. Vermutlich gelangt man mit einem Passierschein dorthin. Aber wo der ausgestellt wird, ist unbekannt. Kafkas einsamer Antiheld K. erlebt die geballte Absurdität der Bürokratie. Er kann nur verlieren.
Asterix und Obelix aber schreiben ein anderes Ende. Sie schaffen es in das Schloss, in die Behörde – und drehen das Spiel um. Asterix fragt plötzlich nicht mehr nach dem Passierschein A 38, sondern nach dem Passierschein A 39 aus dem Rundschreiben B65. Das gibt es aber gar nicht – aber wer weiß das schon. Das System läuft heiß und implodiert. Die Beamten verlieren den Verstand.
Kafkas Roman "Das Schloss" gibt es als Hörspiel im Podcast. Das Binge-Hören aller zwölf Folgen macht uns aber nicht verrückter, als wir derzeit ohnehin schon sind. Die Odyssee des Antihelden K. hat in diesen Zeiten eine fast schon beruhigende Wirkung.