Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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4. Oktober 1933 Schriftleitergesetz definiert Journalismus

Am 4. Oktober 1933 wurde die bürgerliche Presse auf Vordermann gebracht: Mit dem Schriftleitergesetz stellte der nationalsozialistische Propagandaminister Joseph Goebbels klar, wie Journalismus in Deutschland künftig zu funktionieren hatte.

Stand: 04.10.2010 | Archiv

4. Oktober 1933: Schriftleitergesetz definiert Journalismus

04 Oktober

Montag, 04. Oktober 2010

Autor(in): Brigitte Kohn

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

"Ich liebe die Presse", sagte Propagandaminister Goebbels am 4. Oktober 1933, dem Tag der Einführung des Schriftleitergesetzes. "Ich habe die natürliche Absicht, der warmherzige Beschützer der deutschen Presse zu sein und zu bleiben."

Die Presseleute, zu denen er sprach, hatten die ersten Auswirkungen von Goebbels' "natürlicher Warmherzigkeit" schon miterlebt. Linke Parteizeitungen waren zugunsten nationalsozialistischer Verlage enteignet worden, ihre Redakteure lebten im Exil oder vegetierten im KZ, und nun sollte mit dem Schriftleitergesetz auch die bürgerliche Presse auf Linie gebracht werden. Journalisten und Redakteure hießen fortan Schriftleiter, weil das deutscher klang, und sahen einer Zukunft als Sprachrohr der Regierung entgegen. Sie mussten, so verfügte es das Gesetz, erstens arischer Abstammung sein und sich zweitens dazu verpflichten, im Volk die nationalsozialistische Weltanschauung zu verbreiten. Jeder Journalist war nun direkt dem Propagandaministerium unterstellt und nicht mehr, wie früher, seinem Verleger zur Rechenschaft verpflichtet. Die Verleger konnten auf die Inhalte ihrer Publikationen keinen Einfluss mehr nehmen, sondern allenfalls noch ihr Vermögen retten, wenn sie sich den neuen Spielregeln beugten.

Wie die tagespolitisch betrachtet aussahen, ließ Goebbels auf täglich stattfindenden Reichspressekonferenzen kundtun, bei denen die Sprecher seines Ministeriums ausgewählten Zeitungsleuten die Maximen in die Feder diktierten, die sie zu befolgen und in ihren Redaktionen zu verbreiten hatten: eine absurde Mischung aus Banalem und Grauenhaften. Die Senkung der Margarinepreise gehört auf die erste Seite! Ob Jesus Jude war oder nicht, darf nicht erörtert werden! Der sächsische Dialekt ist nicht ins Lächerliche zu ziehen, der Schriftsteller Thomas Mann soll totgeschwiegen werden, die Orte, an denen Hinrichtungen stattfinden, dürfen nicht namentlich genannt werden!

Wer von der vorgegebenen Linie abwich, hatte mit harten Strafen zu rechnen. Ehemalige Flaggschiffe der liberalen Presse wie die Frankfurter Zeitung versuchten es trotzdem hin und wieder, was Goebbels zähneknirschend duldete, um Punkte im Ausland zu sammeln.

Der Widerstand, wenn es denn einer war, stand aber nur zwischen den Zeilen und war nur für Eingeweihte zu erkennen. Die deutsche Presse, früher die größte und vielfältigste unter allen Industrienationen, war zum Befehlsempfänger und Erfüllungsgehilfen der Nationalsozialisten herabgesunken: auf Gedeih und Verderb einem ehemaligen arbeitslosen Germanisten namens Joseph Goebbels ausgeliefert, dessen pathetisch-exaltierte Schreibübungen bei renommierten Redaktionen in den zwanziger Jahren regelmäßig im Papierkorb gelandet waren. Nun hatte der Düpierte und in seiner Eitelkeit Gekränkte genug Macht in den Händen, um willfährige "Schriftleiter" mit den Privilegien wohlversorgter Staatsbeamter zu beglücken: Festanstellung, Kündigungsschutz, bezahlter Urlaub. Für so manchen verkrachten Schreiberling, der sich früher kaum über Wasser halten konnte, bot das eine echte Chance. Kleiner Trost aus heutiger Sicht: Die braunen Presseerzeugnisse verkauften sich schlecht. Sie waren so uniform und einseitig, dass sich selbst Goebbels beim Lesen langweilte. Gelenkte Presse, das hat die Geschichte oft gezeigt, ist immer eine schlechte Presse.


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