7. Dezember 1923 Hubble beweist Welten jenseits Milchstraße
Er ist der Mann, der dem Universum seine Größe und Geschichte gibt: Edwin Powell Hubble beweist am 7. Dezember 1923, dass der Andromedanebel außerhalb der Milchstraße liegt. Damit führt er zum ersten Mal vor, dass das Universum nicht nur aus unserer Galaxis besteht.
07. Dezember
Dienstag, 07. Dezember 2010
Autor(in): Florian Hildebrand
Sprecher(in): Florian Hildebrand
Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung
Mal eine einfache Frage: Was ist die Welt? Hugo von Hofmannsthal antwortet darauf erstaunlich kurz mit 14 Zeilen. "Ein ewiges Gedicht", schreibt er, "daraus der Geist der Gottheit strahlt und glüht". Ja, so dachte man bereits Jahrzehntausende. Wie in einem Uhrwerk umrunden die Sterne den Polarstern, und die Planeten ziehen im ewigen Gleichmaß ihre Bahn. In diesem vollkommenen Regelmaß gibt sich die göttliche Schöpferkraft zu erkennen. Auf der Erde mochte es drunter und drüber gehen, oben am nächtlichen Himmelsgewölbe zeigen die folgsamen Gestirne der Götter oder des einen Gottes Allmacht.
Hugo von Hofmann schrieb sein "Was ist die Welt" 1890. Ein Vierteljahrhundert später wurde der Himmel, den Gestirnen die göttliche Abkunft aberkannt. Seither wölbt er sich über der Erde, schwarz, tiefkalt, abweisend. Trilliarden Sterne in einer sturztiefen Unendlichkeit, die sich noch dazu rasend ausdehnt. Alles im Universum ist dermaßen riesig, schnell, heiß, schwer, laut, dass es einen wundert, wie sich aus diesem gewalttätigen Chaos Leben hervorgetraut hat.
Einer von denen, die dem Kosmos das Heilige nachhaltig ausgetrieben haben, ist Edwin Powell Hubble. 1923. Der Mann sitzt am Mount Wilson-Observatorium in Pasadena/Kalifornien an seinem Teleskop. Im Mund unvermeidlich die Pfeife. Heute wäre ein Astronom entsetzt, wenn Rauch das Licht im Fernrohr eintrübte. Hubble hat den Andromedanebel im Visier. Schon einige Jahre reden die Kollegen darüber, dass dieser ferne Nebel möglicherweise jenseits der Milchstraße schwebt. Beweisen kann das bis zur Stunde niemand. Noch gilt: Das Universum ist die Milchstraße. Mit 100.000 Lichtjahren Durchmesser ist das ja nicht gerade wenig. Aber dahinter ist Schluss.
Hubble will es nun genau wissen und geht mit dem Teleskop im Andromedanebel auf die Suche. In heutigen Teleskopen zeigt sich Nachbar Andromeda als eine wunderschön leuchtende Galaxie, die an einen bläulich schimmernden Schwimmreifen erinnert. Hubble sucht darin nach Cepheiden. Das sind gleißende Riesensterne, die die Astronomen als Entfernungsmesser hernehmen.
Am 7. Dezember 1923 findet Hubble endlich auf einer der unsäglich vielen Photoplatten, die er vom Andromedanebel gemacht hat, einen dieser Leuchtsterne. Er rechnet und rechnet und bekommt heraus: Der Cepheide muss eine Million Lichtjahre entfernt sein. Das ist entschieden jenseits der Milchstraße. Die misst wie gesagt nur 100.000 Lichtjahre.
Der Mann mit der Pfeife erschrickt. Was ist die Welt? Die alte Frage, jetzt hat sie keine Antwort mehr, sondern zieht tausend neue Fragen nach sich: Wo ist die Welt jetzt zu Ende? Was ist dahinter? Dieser Andromedanebel, weit draußen. Und all die anderen Nebel? Alles Galaxien? Was für ein Kosmos! Hubble befördert mit dem Unterkiefer die Pfeife von einem Mundwinkel in den anderen. Es schauert ihn, denn er ahnt: Mit diesem Beweis wird er berühmt.
Er sollte noch berühmter, ja viel berühmter werden; ihn wird die Gloriole des Astronomen des 20. Jahrhunderts umgeben. Mit einer Formel, die er sechs Jahre später, 1929, errechnet. Die beschreibt, dass und wie schnell sich das Weltall ausdehnt. Der Kosmos muss also früher näher beisammen gewesen sein.
Edwin Powell Hubble, der Mann mit der Pfeife hat dem Kosmos Größe und Bewegung, also Anfang und Ende, Entwicklung und Geschichte gegeben. Mit Hubble ist ein völlig neuer Kosmos auf die Welt gekommen, einer, der sich gewaltig ausdehnt und eine atemberaubende Dynamik besitzt.
Was also ist die Welt? Am Ende schreibt Hofmannsthal: "Ein Buch, das du im Leben nicht ergründest." Wie wahr.