8. Oktober 1916 Tumult bei Hasenclevers Drama "Der Sohn"
"Der Sohn" - am 8. Oktober 1916 hatte Walter Hasenclevers Drama Premiere und machte den Autor zum Sprachrohr einer "verlorenen Generation", die sich als Opfer einer gewalttätigen Welt der Väter begriff.
08. Oktober
Dienstag, 08. Oktober 2013
Autor(in): Armin Strohmeyr
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Angela Smets
Redaktion: Thomas Morawetz
Es war eines der aufregendsten Ereignisse der Theatergeschichte: Bei der Premiere von Walter Hasenclevers Drama "Der Sohn" am 8. Oktober 1916 im Albert-Theater in Dresden kam es zu Tumulten. Die Zuschauer reagierten teils empört, teils betroffen und begeistert. Der Schriftsteller Albert Ehrenstein nannte die Aufführung einen "Theaterknall".
Vater-Sohn-Konflikt
Sechzehn Monate später gab man das Stück am altehrwürdigen Hof- und Nationaltheater Mannheim, in einer expressionistischen Inszenierung mit kargen Bühnenbildern, was die seelische Deformierung der Figuren herausarbeitete. Es wurde ein ungeheurer Erfolg. "Der Sohn" wurde zur Identifikationsfigur einer Generation. Es ist ein Seelendrama mit Vater-Sohn-Konflikt in einer als menschenverachtend gezeichneten patriarchalischen Welt. In einem Wortduell schleudert der Sohn dem verhassten Vater die Worte ins Gesicht:
"Du hast, unter dem Deckmantel der Erziehung, ein Verbrechen an mir begangen. [...] Ich bin hier, Rechenschaft von dir zu fordern [...] ihr Tyrannen, ihr Väter, ihr Verächter alles Großen. [...] Habe ich je einen Sohn, so will ich gut machen an ihm, was mir Übles geschehen."
Am Ende sinkt der Vater, vom Schlag getroffen, tot nieder. Der Sohn hingegen bricht gemeinsam mit seiner Geliebten in ein neues Leben auf, das er nicht nur dem persönlichen Glück widmen will, sondern auch der Freiheit seiner Generation.
Das Stück war auch eine persönliche Abrechnung des Autors mit dem eigenen Vater: Walter Hasenclever wurde 1890 in Aachen geboren. Das Elternhaus war preußisch-streng und freudlos. Der Sohn sollte mit drakonischen Strafen zum willenlosen Untertan herangezogen werden. Doch als Student brach Walter Hasenclever aus diesem geistigen Gefängnis aus.
Er ging nach Leipzig, fand Freunde in der Künstlerszene und trat bald mit eigenen Texten in Kurt Wolffs Buchreihe "Der jüngste Tag" hervor. Der Vater strich dem ungehorsamen Sohn die finanzielle Unterstützung, drohte dem noch nicht Volljährigen mit einem Anwalt und untersagte seinen übrigen Kindern den Kontakt zum Bruder. Der jedoch blieb unbeugsam.
Die Wirklichkeit des Tötens
Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete sich Walter Hasenclever freiwillig zur Front. Die Wirklichkeit des Tötens desillusionierte ihn. Er wurde psychisch krank und verbrachte die letzten Kriegsjahre in einem Sanatorium. Doch der fulminante Erfolg seines Dramas "Der Sohn" machte ihn zum Sprachrohr der Jungen, die sich als "verlorene Generation" begriffen: Der Krieg hatte sie zu Krüppeln gemacht, seelisch und körperlich, und ihnen den Glauben an eine gesellschaftliche Gerechtigkeit genommen. Auch nach 1918 fanden sich viele der heimgekehrten Soldaten in den veränderten Rahmenbedingungen nicht mehr zurecht.
In den Zwanzigerjahren schrieb Hasenclever gesellschaftskritische Komödien und wurde zu einem der meistgespielten Theaterautoren. Als satirischer Freigeist zog er sich den Hass der Konservativen zu. Die Nationalsozialisten sahen in ihm einen "Kulturbolschewisten".
Nach Hitlers Machtergreifung ging Hasenclever nach Südfrankreich ins Exil. Seine Schriften landeten auf dem Scheiterhaufen. Als im Juni 1940 deutsche Truppen Frankreich überfielen, drohte Hasenclever die Auslieferung. Der kam er durch Selbstmord zuvor. Das Prinzip der Väter, wie Hasenclever es verstand, nämlich die Unterdrückung durch Hass und Gewalt, hatte - wieder einmal - gesiegt.