8. Dezember 1995 Grube Messel wird Weltnaturerbe
Was wäre sie für eine schöne Müllkippe geworden! Doch weil die Grube Messel bei Darmstadt randvoll mit urzeitlichen Fossilien war, wurde sie UNESCO-Weltnaturerbe. Autor: Markus Mähner
08. Dezember
Donnerstag, 08. Dezember 2016
Autor(in): Markus Mähner
Sprecher(in): Andreas Wimberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Das hätte richtig schiefgehen können! Beinahe wäre Deutschlands ergiebigste Fossilien-Fundstätte zugemüllt worden - im wahrsten Sinne des Wortes. Denn als 1971 in der Grube Messel bei Darmstadt der Abbau von Ölschiefer eingestellt wurde, kamen kluge Abfallordnungsbeamten auf eine glorreiche Idee: Man könnte ja das Becken als Deponie für Hausratsabfälle nutzen!
Paradies bei Darmstadt
Aber dann - die üblichen Miesmacher: Die Anwohner waren dagegen, auch Wissenschaftler und sogar Hobbyarchäologen. Ja selbst der damalige Umweltminister von Hessen, Joschka Fischer, stellte sich vehement gegen das Unternehmen. Die vom Tagebau arg geschundene Grube war nämlich vor Millionen von Jahren einmal eine blühende Oase, ein Paradies, ein Tropischer Regenwald - mit einem unermesslichen Artenreichtum! Und der steckte immer noch in dem öden Loch: In Form von unzähligen urzeitlichen Fossilien. Eine unermessliche Fundgrube für Paläontologen! Der Widerstand brachte damals sogar natürliche Feinde zusammen - nämlich Wissenschaftler und Hobbygräber. Die Amateure durften sogar ganz offiziell aufs Schürfgelände - was eigentlich verboten war! Doch die Fundstücke waren so zahlreich, dass es den Wissenschaftlern nur darum ging, möglichst viel von dem unsagbaren Schatz zu bergen, bevor die Müllbagger kommen würden.
Es muss eine Goldgräberstimmung wie am Klondike gewesen sein: Ordentlich abgesteckte Claims bargen mal mehr, mal weniger Fossilien - und wer Glück hatte, der fand urzeitliche Versteinerungen, die Gold wert waren. Zum Beispiel Ida. Das 58 Zentimeter große Fossil gilt als die älteste bekannte Ururur-Oma des Menschen. Aber bis Ida endlich an die Öffentlichkeit kam, sollten noch einmal 25 Jahre vergehen. Dem anonymen Goldgräber war Oma Ida zu heiß, so dass er sie erst im Mai 2009 umständlich an die Universität Oslo verkaufte.
Dank deutscher Gründlichkeit
Doch nicht nur Ida ist gerettet, sondern inzwischen auch die anderen urzeitlichen Fledermäuse, Urpferde, Schlangen, Krokodile, Libellen und was sonst noch so kreuchte und fleuchte vor 50 Millionen Jahren. Denn ein findiger Jurist, der ebenfalls gegen die Mülldeponiepläne war, entdeckte 1990 einen Formfehler im Antrag der Planungsbehörde: Und prompt! Der ganze Reichtum aus der Grube hatte nicht vermocht, was deutsche Gründlichkeit am Ende schaffte: Der Formfehler brachte das endgültige Aus für die Zumüllung der Grube!
Im Nachhinein betrachtet ein riesiges Glück nicht nur für die Wissenschaft sondern auch für das Land Hessen: Denn seit dem 8. Dezember 1995 ist die Grube Messel offiziell UNESCO-Weltnaturerbe - und die Region um Darmstadt um eine Sehenswürdigkeit reicher. Da freut sich auch Joschka Fischer! Zudem nun auch noch eine Urzeitschlange, die in Messel gefunden wurde, seinen Namen trägt: Palaeopython Fischeri. Das wäre ihm mit einer Müllkippe nie passiert.