12. Juli 1932 Tomáš Baťa zerschellt an Fabrikschlot
Der Erste Weltkrieg machte den Schuster Tomáš Baťa zum Chef eines modernen Schuhimperiums. Am 12. Juli 1932 starb er bei einem Unfall in seinem Privatflugzeug. Bata-Schuhe gibt es bis heute. Autorin: Julia Devlin
12. Juli
Mittwoch, 12. Juli 2017
Autor(in): Julia Devlin
Sprecher(in): Ilse Neubauer
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
In der grandiosen Landschaft der Dolomiten tobte zweieinhalb Jahre lang ein erbitterter Stellungskrieg zwischen italienischen und österreichisch-deutschen Truppen. Spuren davon kann man auch heute, fast ein Jahrhundert nach dem Ersten Weltkrieg noch entdecken: unterirdische Gänge, Ruinen von Lazaretten und Unterkünften, Schützengräben und Schießständen. Aber auch kleine Überbleibsel, die von den mörderischen Schlachten zeugen. Stücke von Stacheldraht. Deckel von Provianttöpfen. Rostige Sardinenbüchsen. Uniformknöpfe. Und Reste von Stiefeln, das Leder spröde geworden, am Rande regelmäßig gelocht, oder Sohlen, in denen noch der ein oder andere Nagel steckt. Mehr noch als die zerborstenen Gemäuer sind es vielleicht diese zerfallenen Stiefel, die einen schaudern lassen. Denn sie machen bewusst, was mit dem Menschen passierte, der einst diese Stiefel trug.
Gut möglich, dass dieses Fetzchen Leder einstmals ein Bata-Schuh war. Denn der Erste Weltkrieg war nicht für alle eine Katastrophe. Für einige war er auch ein Segen. Und zu diesen gehörte der Unternehmer Tomas Bata, oder korrekt auf Tschechisch: Tomáš Baťa.
Schuhimperium im Bauhausstil
Bata stammte aus dem mährischen Marktflecken Zlín. Seit Generationen war dort die Familie ansässig gewesen, seit Generationen übte sie das Schusterhandwerk aus. Tomas aber war ehrgeiziger als Vater und Großvater, Leisten und Hammer genügten ihm nicht. So sah er sich in der Welt um und lernte, dass man Schuhe auch industriell herstellen kann. So wie es sein großes Vorbild Henry Ford mit Autos machte. Dessen Methoden konnte man auch in Mähren umsetzen. Und als der Kriegsausbruch unausweichlich bevorstand, reiste der gewiefte Unternehmer nach Wien und ergatterte den Auftrag, die Soldaten des kaiserlichen Heeres mit Schuhwerk auszustatten. Wenn sie schon in den Krieg ziehen mussten, all die jungen Männer, dann sollten ihre Füße, wenn sie im Gleichschritt an die Front marschierten, wenigstens in Stiefeln von Bata stecken.
Seitdem ging es steil bergauf mit dem Unternehmen. Rund um die Fabrik transformierte sich der kleine Ort Zlín zu einer Modellstadt der Moderne, mit allem, was man für die ideale Stadt braucht - Schulen, Kindergärten, Kino, Krankenhaus und natürlich Wohnhäusern für die Arbeiter, Ingenieure und Manager des Schuhimperiums. Alles im schnörkellosen Bauhausstil, der zur corporate architecture der Firma wurde. Ende der Zwanziger Jahre war Bata der weltgrößte Schuhproduzent.
Ende eines Schuhkönigs
Dann kam der 12. Juli 1932, ein nebliger Dienstag. Tomas Bata hatte wie immer viel vor, er hatte Termine in der Schweiz und in Dresden, was mit einem Privatflugzeug problemlos zu bewältigen war. So schob er die Zweifel beiseite, die sein besorgter Pilot wegen fehlender Sicht äußerte, und zwang ihn zum Abflug. Wenig später zerschellte die Maschine an einem Fabrikschlot.
Das war das Ende des Schuhkönigs Tomáš Baťa, aber mitnichten das Ende der Firma. Noch heute ist Bata Weltmarktführer der Schuhherstellung. Noch heute findet man Bata-Läden in der ganzen Welt. Und noch heute findet man Fetzchen von Leder und brüchigen Schuhsohlen in den Dolomiten, dort, wo einst die vom Heereslieferanten Bata ausgestatteten Soldaten in einem sinnlosen Stellungskrieg die k.-u. k.-Monarchie verteidigten.