14. März 1893 Wilhelm Balters geboren, Schnullerentwickler
Er ist der erste beste Freund, erlebt jedes Abenteuer mit. Auf ihn ist Verlass. In allen Lebenslagen. Aber irgendwann muss er doch gehen. Man hat sich auseinandergelebt. Ade, Schnuller! Autorin: Silke Wolfrum
14. März
Montag, 14. März 2016
Autor(in): Silke Wolfrum
Sprecher(in): Caroline Ebner
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Als am 14. März 1893 die Mutter von Wilhelm Balters ihren Sohn gebar, dachte sie wohl nicht im Traum daran, dass dieser gut 100 Jahre später als "Friedensstifter" in der Zeitung stehen würde. Doch wer weiß: Hätte das kleine Gerät, zu dessen Entwicklung Wilhelm Balters maßgeblich beitrug, schon existiert, als Balters noch ein Baby war - vielleicht hätte es seine Mutter gar nicht als so friedensstiftend empfunden. Wir jedenfalls, die wir tagtäglich Balters Erfindung zum Einsatz bringen und auch nachtnächtlich, wir halten den von ihm geschaffenen Frieden für einen Schein-Frieden. Sicher ist es eine Wonne, wenn der Diddi, Nuckel, Bapfi, Zuzi oder Luller im Mund des Babys steckt und für Ruhe sorgt, aber wehe er steckt dort nicht! Wurde vergessen oder verlegt, liegt verstaubt unterm Bett, ist zwischen die Autositze gekullert, wurde von einem anderen Kind geraubt oder ist einfach ganz und gar verloren. Ka - ta - strophe!
Diddi???? Diddi!!!!
Wir wollen Balters zu Gute halten, dass sein Schnuller auf alle Fälle für das Kindangenehmer war, als alles, was es zuvor zu zuzeln gab. Im alten Ägypten wurden den Babys mit Honig gefüllte Tonfigürchen in den Mund gedrückt, in Europa waren ab dem Mittelalter unhygienische Beutel verbreitet, in die man zerkauten Zwieback, Zucker und Wasser, ja sogar Branntwein füllte! Im 19. Jahrhundert gab es dann den ersten Gummi-Schnuller, ein knüppelhartes Ding, das oft auch noch giftige Zusatzstoffe enthielt. Für die Ärzteschaft war der Schnuller vor allem ein Symbol falscher Pädagogik. Ein Professor Friedleben äußerte sich 1843 so dazu: "Was nun den moralischen Nachteil angeht, so wird dadurch der Grund zu einem pretiösen Charakter gelegt, da ja das Kind bald merkt, dass es nur schreien darf, um befriedigt zu werden; die Wiege eines Kindes aber ist auch die Wiege seines Charakters." Wer weiß aber, wie oft dieser Professor selbst an der Wiege seiner Kinder stand?
Wiegen-Wacht
Wilhelm Balters jedenfalls war als Zahnmediziner vielmehr besorgt ob der Alternative zum Schnuller: Daumenlutschen. Dieses führt nämlich häufig zu Gebissfehlstellungen. Daher entwickelte er 1949 zusammen mit seinem Kollegen Adolf Müller den ersten "natürlichen und kiefergerechten Beruhigungssauger und Kieferformer". Aus "natürlich und kiefergerecht", wurde NUK. Balters und Müller hatten festgestellt, dass Kinder, die lange gestillt wurden, selten Zahnfehlstellungen aufwiesen. Daher entwickelten sie einen Schnuller, der genauso weich und formbar sein sollte wie die Mutterbrust. Aus einem Beruhigungsmittel wurde ein kieferorthopädisches Gerät.
Allzu lange sollte dieses jedoch auch nicht im Mund behalten werden. Und damit kommen wir zur Schattenseite des Lullis. Denn die große Frage ist doch: Wie wird man ihn wieder los? Muss man ein Abschiedsfest für ihn feiern? Muss man ihn an einen Schnullerbaum hängen, um ihn immer wieder mal besuchen zu können? Schnappt ihn sich die Schnullerfee? Eines ist jedenfalls sicher: Frieden ist immer nur für kurze Zeit.