18. Juli 1955 Walt Disneys erster Vergnügungspark
Nichts anderes als die perfekte Unterhaltung wollte Walt Disney, als am 18. Juli 1955 sein fantastisches Disneyland die Tore öffnete. Nichts hatte er dem Zufall überlassen, jedem auf die Finger geschaut. Trotzdem ging die Eröffnung schief. Autorin: Elke Endraß
18. Juli
Dienstag, 18. Juli 2017
Autor(in): Elke Endraß
Sprecher(in): Andreas Wimberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Entsetzt schrie die Sekretärin auf und kletterte auf einen Stuhl. Vor ihr auf dem Schreibtisch saß eine Maus und knabberte an ihrem Schinkenbrötchen. Ein junger Zeichner erwies sich als Retter in der Not. Er fing die Maus, brachte sie eilends in einem Käfig unter, nannte sie liebevoll Mortimer - und begann sie zu zeichnen. - So erzählt man sich in Hollywood bis heute die Entstehungsgeschichte des berühmtesten Nagetiers aller Zeiten: Micky Maus.
Drakonischer Disney
Der Zeichner war natürlich Walt Disney, der Gründer des riesigen Unterhaltungskonzerns, aus dessen Feder auch solch possierliche Figuren wie Bambi oder Donald Duck stammen sollen. Doch das stimmt leider nur zum Teil. Die Wahrheit ist: Disney selbst hatte vom Zeichnen nicht viel Ahnung. Ub Iwerks war zeitlebens sauer auf seinen Chef, weil der mit einer Erfindung Geld verdiente, die Iwerks gemacht hatte: eben mit jener Micky Maus. Disneys Talent bestand vielmehr darin, gute Leute ausfindig zu machen und sie zu großer Leistung anzustacheln.
Wer mit Micky Maus & Co. so viel Spaß unter die Leute bringt, muss ein lustiger Mensch sein, denkt man. Doch weit gefehlt. In den Studios wurde selten gelacht. Disney war ein pingeliger Perfektionist, ein Despot, der seine Angestellten mit manischer Kontrollsucht quälte. Das bekamen vor allem die Planer von Disneyland zu spüren. Als der Vergnügungspark am 18. Juli 1955 - eröffnet wurde, war die Feststellung des Meisters, hier sei kein Loch ohne seine ausdrückliche Zustimmung gebohrt werden, vermutlich nicht einmal übertrieben.
Dieser Park war Disneys Lieblingsprojekt. Das Genie hatte Größeres vor, als die Menschen alle paar Jahre mit neuen Zeichentrickfilmen zu beglücken - er wollte die Welt nach seinem Bild gestalten.
Und so plante er ein überdimensionales Kinderzimmer, in dem die ganze Welt zum Spielzeug wird und das die Träume aller Kinder und jung gebliebenen Erwachsenen verwirklichen sollte. Doch niemand sah in diesem Projekt eine Zukunft; Disney wurde milde belächelt.
In Anaheim, rund 40 Kilometer südlich von Los Angeles, erwarb er einen riesigen Orangenhain und verwandelte ihn in eine Märchenwelt. 18 Attraktionen konnte Disney damals den staunenden Besuchern präsentieren. Heute sind es mehr als 60.
Pannenreiche Eröffnung
Die Eröffnung war allerdings ein Fiasko und ging als "Schwarzer Sonntag" in die Disney-Geschichte ein. Das Gelände wurde förmlich überrannt. Statt erwarteter 15.000 kamen fast doppelt so viele Besucher, zum Teil mit gefälschten Tickets. Im Fantasyland fiel der Strom aus, im Tomorrowland brach eine Gasleitung, und auf der Main Street blieben die Gäste im frischen Asphalt kleben. Doch schon zwei Jahre später wurde der zehnmillionste Besucher begrüßt. Noch heute zieht Disneyland die Massen an. Gleich am Eingang ist Disneys Zauberformel zu lesen: "Hier lassen Sie das Heute zurück und begeben sich in die Welt von Gestern, Morgen und der Fantasie". –
Disney-Vergnügungsparks finden sich überall auf der Welt. Doch das erste Disneyland hat einen eigenen, unnachahmlichen Zauber. Es trägt die Handschrift seines Schöpfers. Und so brennt über der alten Feuerwache auf der "Mainstreet", wo Walt Disney bis zu seinem Tod eine Wohnung hatte, zur Erinnerung an den Bauherrn ständig eine Lampe im Fenster.