18. November 1907 Pius X. bekämpft "Modernisten"
Papst Pius X. sah sich als Seelsorger aus der Mitte des Volkes. Während seines Pontifikats war er mit einer neuen wissenschaftlichen Bibelkritik konfrontiert, die er am 18. November 1907 zu verbieten versuchte.
18. November
Montag, 18. November 2013
Autor(in): Armin Strohmeyr
Sprecher(in): Andreas Wimberger
Illustration: Angela Smets
Redaktion: Thomas Morawetz
Bereits die Zeitgenossen betrachteten Papst Pius X. - er amtierte von 1903 bis 1914 - als einen Heiligen: Er stammte aus einfachsten Verhältnissen, war Dorfpfarrer gewesen, kannte die Nöte des Volkes, setzte sich für Reformen in der Kurie, in Liturgie und Katechese ein und galt als bescheiden und herzlich. Die Verehrung seiner Person fand 1954 mit seiner Heiligsprechung einen Höhepunkt. Doch im kollektiven Gedächtnis scheint all das heute verschüttet. Pius X. wird vor allem mit seinem Kampf gegen den sogenannten "Modernismus" in Verbindung gebracht und als Gegner der Wissenschaft abgestempelt.
Heiligenlegenden als Märchen entglorifiziert
In der universitären Theologie des späten 19. Jahrhunderts wurden Bibelkritik und Quellenkunde Forschungsgegenstände. Der bekannteste Vertreter war der französische Archäologe und Religionswissenschaftler Ernest Renan, der bereits 1863 in seinem Buch "Das Leben Jesu" einen kritischen Blick auf die Jesus-Darstellungen in den Evangelien eröffnete und Jesus aus den historischen und sozialen Verhältnissen der Antike zu begreifen versuchte.
Ein anderer bekannter "Modernist" war der in München lehrende Theologieprofessor Joseph Schnitzer, der eine Öffnung der Kirche zur Welt hin forderte und die Heiligenlegenden als Märchen entglorifizierte.
Das führte schließlich zum Verlust seines Lehramts und zur Exkommunikation.
Die "Modernisten" zielten keineswegs gegen christliche Ideale, sondern sie versuchten, Glauben und Verstand miteinander auszusöhnen. Doch hohe katholische Kirchenmänner sahen darin weniger die Chance einer Freisetzung spiritueller Kräfte als vielmehr einen Angriff auf ihre Autorität.
Um den Frieden in der weltumspannenden katholischen Kirche zu wahren, entschied sich Pius X. im Jahre 1907 zu einem folgenreichen Schritt:
In drei Sendschreiben vom Juli, September und November wandte er sich gegen diese modernen Strömungen in der Theologie und stellte kraft seiner päpstlichen Autorität fest, dass die Modernisten einer Irrlehre anhingen.
Er listete diese Irrtümer auf und verurteilte den Modernismus als "Kloake aller Häresien".
Automatische Exkommunikation
Sein Kampf gipfelte in einem Apostolischen Schreiben vom 18. November 1907 mit dem Titel "Praestantia scripturae": Darin legte er fest, dass die Anhänger modernistischer Lehren automatisch mit der Exkommunikation bestraft würden und widersetzte sich somit jeder wissenschaftlichen Diskussion. Ab 1910 mussten Priester und Theologiedozenten vor ihrer Weihe oder Amtseinführung den "Antimodernisteneid" leisten und darin den modernistischen Lehren widersagen. Erst 1967 wurde dieser Eid durch das Glaubensbekenntnis ersetzt.
Seit einigen Jahren beginnt man, Person und Wirken von Pius X. differenzierter zu betrachteten: Sein Kampf gegen den Modernismus konnte die kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Fragen der Theologie allenfalls behindern, jedoch nicht ersticken. Ja, gerade sein in Liturgie und Katechese eingeschlagener Reformkurs gab die Zielrichtung vor, die im Zweiten Vatikanischen Konzil weiterentwickelt wurde.
Pius war insofern kein erstarrter traditionalistischer Kirchenfürst, sondern vielmehr ein Seelsorger aus der Mitte des Volkes, der die Kirche zwar reformieren wollte, aber aus Angst vor revolutionären Umbrüchen mit Verboten statt mit Gesprächsangeboten reagierte. Darin liegt seine menschliche Tragik.