19. Juli 1476 Der Pauker von Niklashausen wird beseitigt
Hans Böhm, den "Pauker von Niklashausen", verehrte das Volk als "Heiligen Jüngling", und die weltlichen und geistlichen Herren fürchteten den jungen Mann mit den revolutionären Ideen. Am 19. Juli 1476 wurde er in Würzburg als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
19. Juli
Dienstag, 19. Juli 2011
Autor(in): Joseph Berlinger
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung
Bei der Hinrichtung des "Propheten" Hans Böhm im Jahr 1476 hoffen seine Anhänger auf ein Wunder: Einer, der mit der Jungfrau Maria im Bunde ist, kann nicht Opfer der Flammen werden.
Der junge Mann, der da auf dem Scheiterhaufen auf den Tod wartet, war ein paar Monate zuvor noch ein namenloser Hirte aus dem unterfränkischen Taubertal, der als Pauker und Pfeifer im Wirtshaus musizierte. Dann wurde er durch den Zuspruch eines Geistlichen zum Prediger bekehrt und behauptete, dass ihm eines Nachts auf der Viehweide die Jungfrau Maria erschienen sei - im weißen Gewand. Sie habe ihm aufgetragen, vor ihrer Kirche in Niklashausen die Menschen zur Buße aufzurufen. Alle Gläubigen, die nach Niklashausen kämen, würden Ablass von ihren Sünden erhalten.
Hans Böhm verbrennt symbolisch seine Pauke und hält die erste Predigt. Er stößt bei den wundergläubigen Menschen des Spätmittelalters auf offene Ohren, und mit seiner Forderung nach einer neuen sozialen Ordnung spricht er dem Volk aus der Seele. Bald schart der junge Mann bei einem Auftritt Zehntausende von Wallfahrern um sich. Bei den ersten Predigten ist er noch auf einem Fass gestanden, um seine Zuhörer zu überblicken. Jetzt muss er höher steigen. Jetzt hält er seine Ansprachen aus Dachfenstern heraus.
Das Volk schaut zu ihm auf. Die kleinen Leute sehnen sich mit ihm nach einem neuen Reich Gottes auf Erden. Hans Böhm verurteilt die Habgier und den Amtsmissbrauch des hohen Klerus, der Sakramente gegen Geld verkauft. Und er geißelt die Unterdrückung durch Fürsten und Grundherren, die das Volk mit Zinsen, Steuern und Abgaben ausplündern. Er verspricht eine herrschaftsfreie Zukunft, in der kein Mensch Gewalt über andere hat; in der es keine Standesunterschiede mehr gibt und keinen privaten und hoheitlichen Besitz an Feldern, Wiesen, Wäldern und Gewässern. All das sei Gemeineigentum. Und jeder solle seinen Lebensunterhalt mit eigner Hände Arbeit verdienen und brüderlich mit den Bedürftigen teilen.
Das sind revolutionäre Ideen, ein halbes Jahrhundert vor den Bauernkriegen von 1525.
Der Pauker von Niklashausen wird den Machthabern gefährlich. Sie fürchten die Volkserhebung. Ein Beamter des Bistums Würzburg vergleicht 1476 den Bauernstand mit einem schwer beladenen Wagen: "Legt man noch ein Ei darauf, so können die Pferde den Wagen nicht mehr ziehen ..." In einem zeitgenössischen Lied wird ein junger Edelmann angehalten, dem Bauern alles wegzunehmen und ihm dann "die Gurgel ab zu reißen". Die Predigten des charismatischen Paukers von Niklashausen fallen also auf fruchtbaren Boden.
Der Würzburger Domherr Georg von Giech lässt das Gerücht verbreiten, Bauern aus der Schweiz würden nach Franken ziehen und mit den Niklashäuser Wallfahrern zusammen den Aufstand machen. Mit derlei Falschmeldungen werden die Landesherren und Räte auf einen harten Kurs eingeschworen. So kommt es zum Beschluss, Hans Böhm zu verhaften. Dieser wird in einem Schnellverfahren mittels der Folter als Ketzer zum Tode verurteilt. Als er am 19. Juli 1476 in Würzburg auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird, bleibt das Wunder aus.
Die Verehrung des Paukers hält nach dessen Tod an. Also fährt auch der Würzburger Fürstbischof Rudolf II. von Scherenberg damit fort, Böhm zu kriminalisieren und zu denunzieren. Der Ruf des Predigers wird zerstört. Die in Niklashausen angesammelten Opfergaben der Wallfahrer - Schmuck und Geld - teilen die regionalen Fürsten unter sich auf.