25. September 1820 Ampère entdeckt Gesetz über Kraftwirkungen zwischen stromdurchflossenen Leitern
Der herausragende Experimentator und Theoretiker der frühen Elektrodynamik: André-Marie Ampère. Am 25. September 1820 entdeckt er, wie Strom und Magnetismus zusammenhängen. Autor: Hellmuth Nordwig
25. September
Montag, 25. September 2017
Autor(in): Hellmuth Nordwig
Sprecher(in): Krista Posch
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
"Den 25. September, Abends. Es war ein großer Fehler und ich bereue es zutiefst, dass ich diesen Brief nicht schon vor drei Tagen abgeschickt habe", schreibt André-Marie Ampère seinem Sohn Jean-Jacques. Schon vor Tagen hat er mit dem Brief begonnen. Aber über den Anfang ist er nicht hinausgekommen. Denn Ampère ist seit zwei Wochen in einer völlig anderen Welt: "All meine Augenblicke sind gefangen genommen von einem bedeutenden Umstand meines Lebens", erklärt er dem Sohn.
Kein Anlass zur Euphorie
Bis dahin hat dieses Leben Ampère keinen Anlass zur Euphorie geboten. Sein Vater lehnt die Schule ab und unterrichtet ihn selbst. So wird er zum Einzelgänger, überdies ohne Schulabschluss. Als André-Marie siebzehn ist, stirbt die Schwester. Ein Jahr später dann eine weitere Katastrophe für die Familie: Vater Ampère wird von Revolutionären hingerichtet. Menschen meidet der Sohn fortan. Außer Julie. In die verliebt er sich, was zunächst unerwidert bleibt, denn "er hat kein Benehmen, ist linkisch und schüchtern", wie die Angebetete notiert. Trotzdem heiraten sie, Jean-Jacques wird geboren - und wieder schlägt das Schicksal zu: Auch Julie stirbt. Ampère heiratet ein zweites Mal, doch diese Ehe hält nur ein paar Monate.
Menschlich bleibt er zeitlebens unbeholfen, ganz anders auf intellektuellem Gebiet. Schon als Kind liest er die berühmte Enzyklopädie von Diderot und d'Alembert. Vollständig und streng nach dem Alphabet. Später vertieft er sich in mathematische Probleme und experimentiert leidenschaftlich. Zum Beispiel auf dem Gebiet der Chemie, wo er fast als erster das Element Fluor entdeckt hätte. Und wie viele andere fasziniert auch ihn die Elektrizität. Die Wende zum 19. Jahrhundert bringt nämlich etwas völlig Neues: Batterien. Strom ist nun jederzeit nach Belieben zu haben.
Der bedeutende Umstand
Auch in Kopenhagen, wo der Physiker Hans Christian Ørsted zufällig etwas Kurioses beobachtet: Die Magnetnadel eines Kompasses schlägt aus, wenn direkt daneben Strom durch einen Draht fließt. Die Nachricht von dieser seltsamen Erscheinung verbreitet sich wie ein Lauffeuer unter den Gelehrten und erreicht im September 1820 Paris. Und genau sie ist der "bedeutende Umstand", der Ampères Leben in den folgenden Wochen umkrempeln wird. Fieberhaft, wie im Rausch beginnt er zu experimentieren. Er, der bisher so viel Pech hatte, sieht endlich eine Glückssträhne und ergreift sie.
Was Ørsted beobachtet hat und worüber alle Welt nur ungläubig staunt, das kann Ampère nach kurzer Zeit erklären. Er demonstriert: Immer wenn Strom fließt, entsteht um den Draht herum ein Magnetfeld. Und deshalb verhalten sich zwei Drähte, die an Batterien angeschlossen sind, genau wie Magnete: Sie ziehen sich an oder stoßen sich ab. Je nachdem, mit welchen Batteriepolen sie jeweils verbunden werden. An jenem 25. September 1820 führt André-Marie Ampère dieses Schlüsselexperiment in der Akademie der Wissenschaften vor. Am Abend hat er endlich Zeit, seinen Brief zu vollenden: "Voilà, eine neue Theorie des Magneten", schreibt er, und weiter: "Sie hat nichts mit dem gemein, was man bisher darüber dachte. Dein Vater küsst dich viele tausend Mal."