27. November 1894 Johanna von Bismarck, Bismarcks Frau, stirbt
Johanna von Bismarck kannte ihren Otto von seiner weichen, romantischen Seite. Er sei das süßeste aller Menschenkinder, meinte sie. Bis zu ihrem Tod am 27. November 1894 war sie dem eisernen Kanzler eine treusorgende Ehefrau.
27. November
Mittwoch, 27. November 2013
Autor(in): Brigitte Kohn
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Angela Smets
Redaktion: Thomas Morawetz
Als Reichskanzler Otto von Bismarck im März 1890 seinen Abschied nahm, weil ihn der neue Kaiser Wilhelm II. nicht mehr brauchte, war Ehefrau Johanna von Bismarck äußerst böse. Nicht auf ihren Mann, sondern auf den Monarchen.
Otto von Bismarck notierte: "Das Alter des Methusalem würde nicht ausreichen, um die Gefängnisstrafen abzusitzen, denen sich meine Frau täglich wegen Majestätsbeleidigungen schuldig zu machen pflegt."
Right or wrong, my husband
Johanna von Bismarck schüttete Gift und Galle über jeden aus, der ihrem Mann in die Quere kam, ganz gleich aus welchen Gründen. "Right or wrong, my husband", so hat ein Historiker ihre Haltung umschrieben. Selbst Sohn Herbert wirkte leicht genervt von so viel Pflichtgefühl und Selbstverleugnung. Sie habe sich künstlich eine Kammerjungfernrolle gegenüber ihrer Familie geschaffen und sich den Wahn konstruiert, nur deswegen auf der Welt zu sein, um Mann und Kinder zu bedienen, schrieb er in einem Brief.
Da könnten Ängste und Selbstzweifel im Spiel gewesen sein, die sie vertuschen musste, auch vor sich selbst. Johanna, die wie ihr Mann aus dem stockkonservativen hinterpommerschen Landadel stammte, war mit ihrer untergeordneten Rolle zufrieden, aber sie litt natürlich trotzdem: unter Einsamkeit vor allem, Otto war ja sehr viel unterwegs. Das Repräsentieren auf dem großen Parkett bedeutete ihr nicht viel; sie war nicht eitel und auch nicht glamourös.
Und sie wusste wohl, dass Bismarck einen Hang zu jungen, schönen, geistreichen und weltgewandten Frauen hatte. Er war ja in jüngeren Jahren rank und schlank und attraktiv und flirtete gern auf Augenhöhe. Seine starke Sinnlichkeit war ihm selbst unheimlich. Dass sie sich ehebrecherische Wege suchte, ist nicht bekannt. Aber Johanna spürte, dass sie ihm nicht beides sein konnte: treusorgende Ehefrau und aufregende Gefährtin in einer Person.
"Mein Ottochen!"
Und Bismarck spürte, dass er vor allem ersteres brauchte, einen sicheren Hafen nämlich. Den fand er bei Johanna. "Du bist mein Anker auf der guten Seite des Ufers", schrieb er ihr einmal. "Reißt der, dann sei Gott meiner Seele gnädig." Und die Leidenschaft? Die gab es auch, davon zeugen vor allem die Briefe aus jungen Jahren. Hier zeigt sich Johanna wortgewandt, fröhlich und zärtlich. Liebstes Bismärckchen, süßestes aller Menschenkinder, mein Ottochen!,
so nennt sie ihn, immer voller Vorfreude auf seine Rückkehr.
Kein Zweifel, Johanna kannte ihren Otto von seiner weichen und romantischen Seite, die er im öffentlichen Leben wegdrücken musste, um den Preis von Ess-Sucht und häufigem Kranksein.
Dass der im Grunde labile Bismarck seine politische Karriere überhaupt durchhalten konnte, das verdankte er Johanna. "Was ich bin, hat meine Frau aus mir gemacht." Einwilligung in eine lebensbestimmende Bindung, in eine unauflösliche beiderseitige Abhängigkeit mit hellen und mit dunklen Seiten. Johanna starb am 27.November 1894 und Bismarck vier Jahre später.
"Gib, dass ich meine Johanna wiedersehe!", das soll sein letztes Gebet gewesen sein.