Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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28. Januar 814 Karl der Große gestorben, kein netter Mann

Ist es korrekt, seinen Schwiegervater zu überfallen? Ist es nicht. Das hat Karl, "König der Franken", aber nicht gestört, denn mit feinen Manieren hätte er es bis zu seinem Tod am 28. Januar 814 nicht zu Karl "dem Großen" gebracht.

Stand: 28.01.2014 | Archiv

28.01.814: Karl der Große gestorben, kein netter Mann (28. Januar 814)

28 Januar

Dienstag, 28. Januar 2014

Autor(in): Thomas Morawetz

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Julia Zöller

Ist das ein netter Mann? Einer, der seine Frau einfach aus dem Haus wirft und zu ihrem Vater heimschickt! Und während sie noch schluchzt, „Karl! Das ist nicht dein Ernst!“, hat er schon eine andere. Eine 13-Jährige. Was soll man von so einem also halten? Die deutschen Bundespräsidenten in ihren Festtagsreden sagen jedenfalls, er war ein toller Mann. Denn der Karl, um den es geht, ist Karl der Große - der Vater Europas!

Nördlich der Alpen war Barbarenland

Schon Zeitgenossen nennen den Frankenkönig Karl manchmal "Vater Europas". Freilich, Europa, was das eigentlich sein soll, weiß im frühen Mittelalter niemand. In der Bibel steht, dass es drei Erdteile gibt, Asien, Afrika und Europa. Aber Karten von diesem Europa gibt´s natürlich keine. Auch die antiken Griechen und Römer hatten kein Interesse an Europa. Sie waren zwar irgendwie Europäer, aber eben am Mittelmeer, und da lag ihnen der Nil immer näher als die Weser. Und genau das ist nun das Neue an Karls Europa: Sein Kernland liegt nördlich der Alpen, bis vor kurzem noch unbekanntes Barbarenland.

In nur wenigen Jahrzehnten und ständigen Kriegen unterwirft er das Land von der Elbe bis zum Ebro, von den Friesischen Inseln bis Mittelitalien. Man hat ausgerechnet: Karl sitzt dabei für zweieinhalb Erdumrundungen im Sattel. Zum großen Teil ist sein Europa Entwicklungsland, weite Wälder mit kleinen Zivilisationsinseln, Klöster, Städte. Köln hat damals 10.000 Einwohner, Paris nur 4.000.

Seine bedauernswerte erste Frau kommt schon am Anfang seines Aufstiegs unter die Räder. Nicht einmal ihr Name ist gewiss, nur dass sie die Tochter des Langobardenkönigs Desiderius ist, der in Pavia residiert. Karl ist schon um die 30 und bislang noch nicht zu viel gekommen im Leben, als er nachdenkt: Für was brauche ich einen wohl gesonnenen Schwiegervater im Süden, wenn es ganz ohne Schwiegervater noch viel besser ginge? Also: Tochter retour an Desiderius, und während der noch sein verstoßenes Kind tröstet, steht Karl auch schon vor Pavia. Der Schwiegervater verliert Kampf und Reich, und Karl ist plötzlich nicht mehr nur König der Franken, sondern auch König der Langobarden.

Der Papst ist noch ein Leichtgewicht

Jetzt reicht sein Europa schon bis Mittelitalien. Der erste Streich des Europäers. Die nächsten sind berüchtigt. Brutal kämpft Karl gegen die heidnischen Sachsen. Dabei - so wird berichtet - lässt er 4.500 Mann bei Verden an der Aller enthaupten. Als nächster lernt ihn der bayerische Herzog kennen, später die Awaren im heutigen Ungarn.

Dann der Höhepunkt: Der Papst krönt Karl zum Kaiser. Ein Paukenschlag in der Geschichte Europas! Der Papst ist damals noch ein Leichtgewicht unter den Mächten, und Karl, der Barbarenkönig, muss ihn beschützen. So schaukeln sich nun beide hoch, der Barbar und der Papst, in ein neues Gebilde, das Zeitgenossen vorsichtshalber mal Europa nennen; Europa, das Vermächtnis Karls, als er am 28. Januar 814 stirbt.

Anno Domini 2005: Der türkische Ministerpräsident Erdogan grollt. Die EU sei ein reiner Christenclub, schimpft er, und die europäischen Politiker sind betreten und recht uneins. Was sollen sie ihm dazu sagen? Karl, er hätte nicht gezögert. "Freilich", hätte er gesagt, "was sonst?" Wie Erdogan da wohl getobt hätte? Karls erste Frau hätte den Ministerpräsidenten natürlich warnen können: "Vorsicht! Der ist kein netter Mann!"


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