Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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29. Oktober 1923 Erste Rundfunksendung in Deutschland

"Achtung, Achtung" - so unterhaltsam begann die erste Rundfunksendung in Deutschland, am 29. Oktober 1929. Das Studio war akustisch optimiert durch Pferdedecken, Seidenpapier und Scheuertücher. Autorin: Susi Weichselbaumer

Stand: 29.10.2015 | Archiv

29.10.1923: Erste Rundfunksendung in Deutschland

29 Oktober

Donnerstag, 29. Oktober 2015

Autor(in): Susi Weichselbaumer

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Berufswunsch "Pionier". Um des Abenteuers Willen. Wegen der Option auf Eintrag ins Geschichtsbuch. Weil Plätze nach einem benannt werden, überregionale Züge der Bahn, Pralinenkompositionen und Cocktails. Pionier sein ist ruhmreich, aber wie Pionier werden? Gute Ideen hatten schon manche. Die segeln los gen Indien und finden aus Versehen Amerika. Oder sie nehmen den ganzen Weg auf sich zum Mond, feilen wochenlang an dem einen ersten Satz: "Ein kleiner Schritt für einen Mann..." Und die Menschheit wirft ihnen dann vor: Alles Humbug!

Das Pionierleben ist ein widriges. Nur die Harten kommen in den Garten sprich aufs Straßenschild. Grundvoraussetzung ist in jedem Fall eine nachhaltig angestrebte Tat, die vorher noch keinem eingefallen ist oder die bislang niemand hinbekommen hat. Beispiel zum heutigen 29. Oktober: Das Jahr 1923 und der deutsche Rundfunk.

Bloß keine Politik!

Die Situation damals ist denkbar diffus. Reichspost und Elektroindustrie haben schon Ende des 19. Jahrhunderts den Grundstein gelegt für den Funkverkehr. Es geht vor allem um die Vermittlung von Nachrichten. Im Ersten Weltkrieg funkt und störfeuert das Militär an allen Fronten. Im Frieden fangen Bastler an mit selbst zusammen geschraubten Geräten zu senden und zu empfangen. Wer von nirgendher Antwort erhält, tritt den nun entstehenden Funkfreundeskreisen bei. 1920 startet in Berlin ein Eildienst für amtliche und private Handelsberichte. Die Wirtschaft ist interessiert. Auch die Politik. Reichspostministerium und Reichsinnenministerium streiten jahrelang über die Funkhoheit. Wer ist zuständig für Anlagen? Wer für Inhalte? Oder einer für beides und wenn ja, welcher? Der Mann der Stunde - und Pionier - heißt Hans Bredow. Bis 1919 ist er Direktor der Gesellschaft für drahtlose Telegrafie, dann Staatssekretär im Reichspostministerium und zuständig für Rundfunkfragen. Hans Bredow propagiert die Auffassung: Politische Programme werden von den Hörern eh abgelehnt. Der Rundfunk soll ein neutrales Medium sein und sich beschränken auf Unterhaltung, Erbauung, Erholung.

In der inflationsgeschüttelten Weimarer Republik stimmen die Parteien schließlich zu. Wahlkampf könne man später immer noch betreiben im Äther. Aber zunächst mal funkisch ablenken von bestehenden Missständen. Plus in punkto Staatskasse pro Kopf zwei Reichsmark im Monat einnehmen für ein Programm der leichten Muse.

"Wir machen Ihnen davon Mitteilung…"

Jenes geht am 29. Oktober 1923 den Start, konzipiert von der eben gegründeten Deutschen Gesellschaft für drahtlose Unterhaltung und Belehrung. Friedrich Georg Knöpfke eröffnet den ersten Rundfunksender Deutschlands mit den Worten:

"Achtung, Achtung, hier ist die Sendestelle Berlin Vox-Haus auf Welle 400 Meter. Meine Damen und Herren, wir machen Ihnen davon Mitteilung, dass am heutigen Tage der Unterhaltungsrundfunkdienst mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos-telefonischem Wege beginnt."

3 Meter 50 auf 3 Meter 70 ist das erste Studio groß, akustisch optimiert mit Pferdedecken, Seidenpapier und Scheuertüchern. Zur Schallplatteneinspielung rücken die Mitarbeiter das auf Adressbüchern postierte Mikrofon vor den Schalltrichter des Wiedergabegerätes. Um 20.00 Uhr beginnt die Sendung, um 21.00 Uhr klingt die Schlussmusik aus.

Derjenige, der das alles so weit gebracht hat, Hans Bredow, ist nicht dabei, zumindest nicht on Air. Für Bredow ist Friedrich Georg Knöpfke der weit bessere Programmmacher und Moderator. Für die Nachwelt bleibt Bredow der Pionier. Manchmal muss man vielleicht einen kleinen Schritt zurück treten, um die Menschheit den großen Schritt voran zu bringen.


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