30. September 1888 Jack the Ripper schlägt zweimal zu
Der Serienmörder Jack the Ripper war der Schrecken Londons im Herbst 1888. Über Monate hinweg ermordete er Frauen und Prostituierte. Gefasst wurde er nie. Was ihn antrieb und warum er irgendwann abrupt mit dem Morden aufhörte, bleibt wohl für immer im dichten Londoner Nebel verborgen.
30. September
Freitag, 30. September 2011
Autor(in): Anja Mösing
Sprecher(in): Andreas Wimberger
Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung
Wie ist Gut und Böse in der Welt verteilt? Eine schwierige Frage. "Wir glauben nicht, dass durch die Zahl der Breitengrade die Zahl und die Art der Verbrechen unmittelbar beeinflusst werden." So schrieb und glaubte es Anfang des 20. Jahrhunderts der österreichische Kriminologe Franz von Liszt. Der war zwar nicht so berühmt wie sein komponierender und virtuos Klavier spielender Onkel gleichen Namens, aber auf seinem Feld, nämlich dem der kriminalistischen Theorien, war auch der Neffe sich sehr sicher: Eine "bestimmte Fauna oder Flora Criminalis" gibt es nicht, resümierte Liszt die gern diskutierte Frage, ob das Klima oder schlicht "das Wetter" an einem Verbrechen Schuld sein kann.
Sofern man heutzutage überhaupt noch von "Ursachen" für ein Verbrechen spricht, sind es immer ganze Knäuel: biologische, soziologische, psychologische und so weiter. Niemals gibt es nur eine einzelne Ursache für eine Tat. Und das Wetter läuft höchstens noch unter der Kategorie "Begleitgründe".
So schaut es aus. Und was sollen wir jetzt über den berüchtigten Londoner Nebel denken? Der wabert schließlich nicht nur durch die alten Verfilmungen von Edgar Wallace Krimis. Nacht, Nebel, fröstelnde Kälte - so sieht es doch aus, unser Wetter-Klischee für einen Mord. Oder woran denken Sie, wenn Sie von sagen wir "Jack the Ripper" hören? Jack the Ripper, der berüchtigte Serienmörder, der London im Herbst des Jahres 1888 in Atem gehalten hat. Bis heute ist er die Inkarnation des Bösen, der Mörder schlechthin, und er war der erste Verbrecher, der Medienstar wurde: Über Monate hinweg beherrschte Jack the Ripper Schlagzeilen und Leserbriefspalten der Londoner Tageszeitungen.
Übrigens soll er genau am 30. September 1888, gleich zwei Frauen ermordet haben. Natürlich in der Nacht und im Londoner East End, dem Armenviertel der Stadt neben den London Docks, dem Hafen. Dass damals dicker Nebel über der Stadt gelegen hat, versteht sich von selbst. In einer herrlich sternenklaren Herbstnacht wollen wir uns zwei grausig aufgeschlitzte und ausgeweidete Frauenkörper einfach nicht vorstellen.
Dann lieber die legendäre "pea soup" - "Erbsensuppe", wie diese äußerst trübe Wetterlage von den Londonern selbst genannt wurde.
Zwar stand mit der Themse und dem nahen Meer für London schon immer genügend Feuchtigkeit zur Verfügung, um dort im Winterhalbjahr anständigen Nebel entstehen zu lassen. Aber mit natürlichem Nebel hatte der Nebel zu Jack the Rippers Zeiten nichts mehr zu tun. Der berühmte dicke Londoner Krimi-Nebel war bereits echter Smog. Eine Errungenschaft des Industriezeitalters, entstanden wie das Wort "Smog" - aus der Mischung von Smoke - also Rauch und Fog - Nebel. Denn neben den kohlebetriebenen Dampfmaschinen verschmutze Mitte des 19. Jahrhunderts der Ruß unzähliger Wohnungs-Kamine die Luft der damals größten Metropole Europas.
Nun wissen wir zwar nicht, ob der Londoner Nebel Menschen zu Gewalttaten bringen kann, Tatsache ist aber, dass dieser Nebel selbst einmal an vier Tagen mehr Menschen getötet hat als der berüchtigte Jack the Ripper in vier Monaten. Der Killer-Nebel des Jahres 1952 hat mehr als 4000 Menschenleben auf dem Gewissen und ging als "great smog" in die Geschichte ein. Über vier Dezembertage und Nächte hinweg war er so dicht, dass die Menschen in ihm nicht einmal ihre ausgestreckten Arme sehen konnten.
Diesen Übeltäter hat man inzwischen erkannt und aus dem Verkehr gezogen: es ist die Verrußung der Luft, die zusammen mit der Londoner Wetterlage für alte Menschen, Kranke oder Babys tödlich sein kann. Killer-Nebel lagern nicht mehr in Londons Straßen. Auch "Jack the Ripper", diese Personifikation des Bösen, ist längst gestorben. Allerdings ohne dass jemals herausgefunden wurde, welcher Mensch sich hinter dem Pseudonym verborgen hat; geschweige denn, was ihn zu den Morden trieb.
Was nun das Böse an sich angeht, müssen wir fürchten, dass es in diesem Breitengrad auch mit dem Hinscheiden der zwei Legenden leider immer noch genau so verbreitet ist, wie im Rest der Welt.