26. Juli 1986 Anti-WAAhnsinns-Festival in Burglengenfeld beginnt
Es sollte als das deutsche Woodstock in die Geschichte eingehen, das Anti-WAAhnsinnsfestival in Burglengenfeld. Atomkraftgegner jeden Alters und aus sämtlichen gesellschaftlichen Schichten versammelten sich zu einem Rockfestival, das der bayerischen Staatsregierung deutlich zeigen sollte: Atomkraft, nein Danke! Autor: Markus Mähner
26. Juli
Dienstag, 26. Juli 2022
Autor(in): Markus Mähner
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Ein warmer Julisonntag im Jahr 1986. Im oberpfälzischen Burglengenfeld betreten drei oberbayrische Buam eine Konzertbühne und sorgen für ein Erlebnis, das später Campino, Sänger der Toten Hosen, als einen unvergesslichen Moment in seinem Leben beschreiben wird. Etwa wie jener Moment, an dem man seine Jungfräulichkeit verliere, so Campino.
Denn was die drei Well-Brüder alias Biermösl Blosn da aufführten, war weit mehr als ein volkstümlicher Schuhplattler. Es war ein Striptease in Lederhosen, der damit endete, dass ein herzgezierter roter Lederhosenhotpant-Hintern dem Tun der bayrischen Landesregierung in Sachen Atomkraft entgegengestreckt wurde.
WAA nie!
Es war der zweite und letzte Tag des großen Anti-WAA-Festivals, des "deutschen Woodstock". Es hatte bereits am Samstag begonnen, am 26. Juli 1986, und sich zu dem bis dahin größten Rockkonzert Deutschlands gemausert. Angereist waren neben über 100.000 Besuchern etliche Musikgrößen Deutschlands, von Udo Lindenberg über Herbert Grönemeyer bis BAP, um den Regierenden im Münchner Innenministerium zu zeigen, was sie vom Bau einer Wiederaufarbeitungsanlage für atomare Brennstäbe in Wackersdorf, kurz WAA, hielten.
WAA gar nie!
Campino und seine Toten Hosen mögen hierbei die Spekulanten und Politiker in München wohl weniger beunruhigt haben, als jene "schrägen Vögel" mit ihren Lederhosen.
Denn während zu Campinos Schlachtruf "die Jahre ziehen ins Land und wir trinken noch immer ohne Verstand" lediglich eine kleine Pogo-tanzende Gruppe Punks ihre Zustimmung johlte, nickte zu Biermösls "Griaß di Gott AKW, griaß di Gott CoKG, griaß di Gott ois beinand, tschüss Bayernland" wohl die ganze Oberpfalz: Von klein bis groß, von Punk bis hin zum "braven" Bürger - der auf einmal gar nicht mehr so brav und CSU-gläubig war.
Und da half es auch nicht, dass Parteivorsitzender und Ministerpräsident Franz Josef Strauß die Beteiligten des Festivals als "kriminell und gewalttätig" beschimpfte und alles daransetzte, es zu verhindern. Die Veranstalter ihrerseits knickten nicht ein, nahmen alle Einschränkungen, Beleidigungen und das ewige Bangen um eine Genehmigung hin und kamen im Nachhinein zu dem Schluss: Sie müssten der CSU eigentlich dafür danken, dass sie mit dem ganzen Medienrummel das Festival so großgemacht hätte. Die gewalttätigen Kriminellen blieben aus - ihnen war das Ganze anscheinend zu kommerziell geworden - und die ortsansässigen "braven Bürger" empfingen die friedliche Menge mit offenen Armen. Die 6.000 Polizisten jedoch, die auch angereist waren und ihre soeben erst freigegeben neuen Gummigeschosse mitgebracht hatten, wurden von den Oberpfälzern in Streitgespräche verwickelt.
Der Rest der Geschichte ist bekannt: Einige Jahre später gab der Bauträger die WAA endgültig auf, die deutsche Anti-Atomkraft-Bewegung hatte mit dem Festival ihren Höhepunkt erreicht und die Lederhose von Christoph Well landete im Haus der Bayerischen Geschichte in Regensburg. Was da Franz Josef Strauß wohl dazu sagen würde?