Bayern 2 - Das Kalenderblatt







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15. Dezember 1816 Bodybuilder verschifft Kolossalstatue von Ramses II.

Als die Monumental-Büste von Ramses II. in England eintrifft, ist sie das größte ägyptische Kunstwerk, das die Öffentlichkeit je gesehen hat. Am 15. Dezember 1816 war es dem Zirkusartisten Giovanni Battista Belzoni gelungen, den tonnenschweren Koloss von der Wüste am Nil bis nach Kairo zu schaffen. Autorin: Prisca Straub

Stand: 15.12.2021 | Archiv |Bildnachweis

15.12.1816: Bodybuilder verschifft Kolossalstatue von Ramses II.

15 Dezember

Mittwoch, 15. Dezember 2021

Autor(in): Prisca Straub

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Der Wüstensand hat den gigantischen Kopf mit dem Kobra-Diadem schon fast verschluckt. Das altägyptische Theben ist verwüstet. Die einst gewaltigen Säulenhallen - ein Ruinenfeld. Doch das in den Himmel blickende steinerne Gesicht ist nicht nur überraschend intakt, es scheint Giovanni Battista Belzoni sogar "anzulächeln". Der Abenteurer aus Europa versteht zwar nichts von ägyptischen Altertümern - doch dieses Gesicht … ! - Die Begegnung auf dem abgelegenen Tempelgelände am westlichen Nil-Ufer wird zur Wende in Belzonis Leben.

1279 vor Christus hatte Ramses II. den Thron bestiegen und damit begonnen, sein Reich mit monumentalen Prachtbauten zu überziehen. Dabei hatte der Pharao vor allem eins im Sinn: sich selbst in Szene zu setzen. Die meterhohen Sitzfiguren aus rotem Granit waren unmissverständlich: In Theben will der Herrscher als Gott verehrt werden - für die Ewigkeit.

Der lächelnde Ramses

Als Giovanni Belzoni rund 3.000 Jahre später vor dem lächelnden Rest einer dieser Kolossal-Statuen steht, weiß er von all dem nichts. Etliche Erdbeben haben den Pharao vom Thron gestürzt, der gottgleiche Ramses liegt zerborsten im Staub. Belzoni will jetzt alles daran setzen, den halb versunkenen Kopf abzutransportieren und nach Europa zu bringen. Nach London. Er kennt einen englischen Mittelsmann, dem viel daran gelegen ist, dem französischen Louvre in dieser Angelegenheit zuvorzukommen. Denn Belzoni ist nicht der erste Europäer, der hier in Theben seine Chance wittert. Doch keinem ist es bisher gelungen, die Sieben-Tonnen-Büste von der Stelle zu bewegen. Geschweige denn, einen Transport zu organisieren.

Der Große Belzoni - Muskelprotz am Nil

Bevor es Belzoni mit originellen Geschäftsideen bis nach Ägypten verschlagen hatte, war er als Zirkus-Attraktion mäßig erfolgreich gewesen. Der über zwei Meter große Italiener stemmte Gewichte und war so muskelbepackt, dass er eine Pyramide aus mehreren Menschen auf seinen Schultern tragen konnte. Jetzt trommelt er also Hunderte von Arbeitern zusammen. Sie vertäuen den Giganten aus Granit. Ziehen ihn mit Krachen und Knirschen auf einen Holzschlitten. Zerren ihn durch den Wüstensand. In mühevoller Schwerstarbeit. Zentimeter für Zentimeter. Es dauert

mehr als zwei Wochen, bis die Karawane das drei Kilometer entfernte Nilufer erreicht. - Dort wird der Pharao an Bord eines Schiffes gewuchtet. Am 15. Dezember 1816 erreicht er Kairo.

Von dort reist Ramses weiter nach London, wo er schließlich vom Britischen Museum erworben wird. Die staunende Öffentlichkeit ist hingerissen. Belzoni hingegen lässt Ägypten nicht mehr los. Als Schatzsucher und Entdecker von verborgenen Felsgräbern erlangt er rasch Berühmtheit. Er zieht mit Kamelen umher, kriecht durch düstere Pyramiden, sammelt Mumien und gewinnt so manches Wettrennen um lukrative Altertümer. Wessen Kopf er aber damals aus dem Wüstensand geborgen hat, das erfährt Belzoni nie. Die Hieroglyphen werden gerade erst entziffert. Es dauert noch Jahrzehnte, bis Ramses II. wieder zu einer unvergesslichen historischen Größe wird.







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