Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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15. Januar 1965 Chagan-See in Kasachstan durch eine Atomexplosion künstlich hergestellt

Viel hilft viel, meinten wahrscheinlich die Ingenieure in Kasachstan und vertrauten ganz auf die damals noch junge Atom-Technologie. Mit einer Wasserstoffbombe sprengten sie den Weg frei für den Bau eines gigantischen Staudamms. Die gesundheitlichen Folgen bedachte wohl kaum jemand. Autor: Markus Mähner

Stand: 15.01.2025

15.01.1965: Chagan-See in Kasachstan durch eine Atomexplosion künstlich hergest

15 Januar

Mittwoch, 15. Januar 2025

Autor(in): Markus Mähner

Sprecher(in): Irina Wanka

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Die Stadt Semei ist mit gut 300.000 Einwohnern die einzige Großstadt Ostkasachstans - mit Ausnahme der Gebietshauptstadt Öskemen. Durch Semei - bis zum Jahr 2007 auch als Semipalatinsk bekannt - schlängelt sich der Irtysch, der im Mongolischen Altai-Gebirge entspringt und mit 4248 Kilometern als längster Nebenfluss der Erde gilt. Seine Ufer sind sehr fruchtbar. Und auch nördlich von Semei sieht es schön grün aus.

Südlich jedoch erstreckt sich eine weite Wüsten- und Steppenlandschaft. Schlecht für die Schafe und Rinder, sie dort weiden sollen. Zum Glück fließt der kleine Fluss Chagan, der knapp 300 Kilometer südlich in einem Mittelgebirge entspringt, eben durch jenes Gebiet. Doch so wasserreich er im Mai und Juni wegen der Schneeschmelze auch ist, so öd und vertrocknet ist er im Sommer, Herbst und Winter. Schlecht für die Schafe und Rinder!

Mehr Wasser braucht das Land

Da ersannen im Jahr 1965 findige Ingenieure eine Lösung: Ein Damm sollte her, um die Frühjahrswassermassen in einem Stausee zu bündeln. Ein großer, ein gewaltiger Damm sollte es sein. Nur: So ein Damm ist ganz schön aufwändig und teuer zu bauen! Um die "Bewegung der Erdmassen in großem Ausmaße" zu bewältigen, behalfen sich die Ingenieure deswegen einer noch recht jungen, verheißungsvollen, Technologie: Der Atomexplosion!

Und so gruben sie am 15. Januar 1965 ein Loch in das noch trockene Flussbett des Chagan – rechtzeitig, bevor die Frühjahrsflut kommen würde. In dieses Loch versenkten sie eine Wasserstoffbombe mit einer Sprengkraft, die das 10-fache der Bombe von Hiroshima darstellte. Und - kawumm - um 6 Uhr in der Früh entstand nach einer kurzen Atomexplosion ein Sprengkrater, dessen Rand den Fluss aufstaute.

Atomexplosion für die Volkswirtschaft

So absurd dies auch heute klingt - Trinkwasser für Nutztiere mit Hilfe von Atomexplosionen aufzustauen, zudem noch im eigenen Land - so verlockend erschien das im Jahr 1965 den Ingenieuren vom staatlichen Programm "Atomexplosionen für die Volkswirtschaft". Tatsächlich sollte die Explosion eben vom 15. Januar nur ein Probelauf sein für den Bau eines großen Wasserkanals im Norden Russlands.

Ja, und auch die USA hatten ähnliche Pläne: Man könne doch mit Atomexplosionen den Panama-Kanal erweitern! Oder gleich einen neuen bauen, etwas weiter nördlich, in Nicaragua. Nur: Da braucht es dann doch ganz schön viele Wasserstoffbomben. Und: Das sei neben den potenziellen Gefahren für die Umwelt eigentlich auch ganz schön kostspielig. Und so gaben im Jahr 1977 die USA solche Pläne auf. Russland hielt bis 1988 an seinen fest.

Und der Chagan-See? Der ist bis heute radioaktiv. Der Volksmund nennt ihn "Atomsee". Fische sollen darin gesichtet worden sein. Manchmal finden sich alte Bierflaschen und Lagerfeuerstellen an seinem Ufer von Anglern! Dabei ist der Besuch des Geländes eigentlich nur mit Führer und behördlicher Genehmigung möglich ist. Es könnte ja doch gesundheitsschädlich sein...


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