Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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17. Juli 1866 Charles Hess erhält ein Patent auf ein Klavierbett mit eingebautem Büro

Manche Dinge sind so praktisch, dass es dann schon wieder unpraktisch wird. Charles Hess zum Beispiel erfand praktischerweise einen Klavier-Bett-Schreibtisch. Das alles in einem wollte aber niemand kaufen. Funktionierte auch irgendwie nicht so richtig - weder als Bett, Tisch noch als Instrument. Autor: Xaver Frühbeis

Stand: 17.07.2023 | Archiv

17.07.1866: Charles Hess erhält ein Patent auf ein Klavierbett mit eingebautem Büro

17 Juli

Montag, 17. Juli 2023

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Charles Hess war kein Verrückter. Er war ein Mann des Fortschritts. Die Vereinigten Staaten von Amerika galten als gelobtes Land, immer mehr Menschen wollten dorthin, in den Städten wurde es eng, man musste zusammenrücken, bloß begnügen - wollte man sich nicht. Und so erkundeten in der Mitte des 19. Jahrhunderts findige Köpfe in den USA Wege, wie sich der knappe Wohnraum auf wundersame Weise ausnutzen ließ. Tische zum Auseinanderziehen und Wiederzusammenschieben. Betten, die man abends aus Schränken heraus- und am Morgen wieder reinklappen konnte. Und dann war da noch die Großtat eines Burschen namens Charles Hess, von dem heute niemand mehr weiß, wer er gewesen ist und dem auch sonst keine Lobeshymnen gesungen worden sind. Charles Hess aus Cincinnati im Staate Ohio hat sich ein raffiniertes Kombinationsmöbel einfallen lassen. Aus einem Klavier, einem Schreibtisch und einem Bett. Hess fand das praktisch für kleine Hotelzimmer, in denen der Gast tagsüber arbeiten, abends ein wenig Klavier spielen und nachts schlafen wollte.

Schöner Wohnen!

Die US-Patentschrift Nummer 56.413 vom 17. Juli 1866 zeigt uns, wie Hess sich das Ganze vorgestellt hat. Wir sehen einen dicken, schweren Schreibtisch, der aber kein Schreibtisch ist, sondern ein "Tafelklavier". Der Grundriss viereckig, die Saiten horizontal wie beim Flügel, das Ganze sieht aus wie ein großer, vierbeiniger Tisch mit Klaviertasten. Das war die damals übliche Bauweise für Klaviere. Unter diesem Klavier-Tisch ist viel leerer Platz. Für die Füße und für Luft. Und in diesen vielen Platz hat der gute Hess jetzt Folgendes reingebaut. Vorne: mehrere Schreibtischschubladen mit Büroinhalt. An der Seite: zwei Schrankfächer mit Türen.

Das eine enthält Bettwäsche, das andere eine Waschschüssel mit Krug und Handtüchern. Unter dem Klavier ist ein herausrollbares Bett, die Kopf- und Fußbretter nach oben klappbar, an ihnen kleine Haken, daran lässt sich ein Moskitonetz oder Vorhänge befestigen. Es ist an alles gedacht.

Pfiffige Idee - oder rechter Schmarrn?

Separat dazu gibt es einen - ebenfalls von Hess ersonnenen - Klavierstuhl. Bestehend aus einem kleinen Schränkchen, darin noch einmal Schubladen mit Schreibpapier, Füllfederhalter und Tinte. Die gepolsterte Sitzfläche lässt sich hochklappen, hier kommt dann ein Spiegel zum Vorschein, und eine der Stuhlschubladen enthält kein Papier, sondern Frisier- und Schminkmaterialien für die Dame.

"Convertible bed room piano" hat Hess seine Erfindung genannt. Dass sein "verwandelbares Schlafzimmer-Klavier" tatsächlich gebaut worden ist, dass wirklich Gäste in amerikanischen Hotels nachts in ihrem Klavier geschlafen und am Morgen Geschäftsbriefe daran verfasst haben, davon findet man keine Spur. Klavierfreunde mag das beruhigen. Doch Hess, der kluge Erfinder, erwähnt ausdrücklich, dass die Anordnung an Klapp- und Schubgeräten so konzipiert ist, dass sie der Schönheit des Klavierklangs keinen Abbruch tut. Im Gegenteil, sagt Hess. Das Instrument gewinnt sogar dazu. Womöglich ist das ja ein noch unentdecktes Geheimnis des Klavierbaus. Einfach die Freiräume im Instrument mit Nutzmöbeln füllen. Meine Damen und Herren Klavierbauer: Lernen Sie von unserem Mann des Fortschritts! Lernen Sie - von Charles Hess.


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