8. Oktober 1828 Erstes Drama von Charlotte Birch-Pfeiffer uraufgeführt
Charlotte Birch-Pfeiffers gesamtes literarisches Schaffen umfasst 91 Stücke. Sie wurde zu Deutschlands erfolgreichster Dramatikerin. Das Fundament Grundlage ihrer außerordentlichen Karriere war neben ihrer schauspielerischen und schriftstellerischen Begabung ein gekonnt gestricktes Netzwerk guter Beziehungen. Autorin: Ulrike Rückert
08. Oktober
Dienstag, 08. Oktober 2024
Autor(in): Ulrike Rückert
Sprecher(in): Christian Baumann
Redaktion: Frank Halbach
Das Stück hieß "Herma und die Söhne der Rache". Eine blutrünstige Amazonenfürstin ermordet versehentlich die eigene Mutter und wird selbst vom Geliebten erschlagen. Bei der Uraufführung im Theater an der Wien am 8. Oktober 1828 gab es prächtige Kulissen und Musik, Kampfgetümmel und Sturmgebraus. In der Titelrolle: die Autorin, Charlotte Birch-Pfeiffer.
Sie hatte ihr Erstlingswerk eilig geschrieben, weil der Direktor einen neuen Reißer brauchte. Binnen eines Jahres verfasste sie ein Dutzend weitere Stücke. In "Pfeffer-Rösel" retten eine Lebkuchenverkäuferin und ein Ritter dem Kaiser das Leben und sinken sich dann in die Arme. Das Stück rollte binnen Wochen durch die deutschen Lande, und die nächsten folgten ihm dicht auf den Fersen – herzergreifende Spektakel, die Geld hereinspülten.
Ein Multi-Talent
An die hundert Dramen flossen aus ihrer Feder und beherrschten jahrzehntelang die Spielpläne der deutschen Bühnen. Charlotte Birch-Pfeiffer war die Königin der Theaterkasse, außerdem Schauspielerin, Regisseurin, Theaterdirektorin, Opernlibrettistin und eine beinharte Geschäftsfrau.
Die erstaunlichste Theaterkarriere des 19. Jahrhunderts begann 1813 in München, als die dreizehnjährige Tochter eines Oberkriegsrats auf der Bühne debütierte. Mit achtzehn war sie Hofschauspielerin mit Pensionsanspruch, verabsentierte sich aber häufig für lukrative Gastspiele andernorts. Zu häufig - schließlich riss die königliche Geduld, die Birch-Pfeiffer war gefeuert.
Nach dem Engagement in Wien und vielen Tourneen gastierte sie am Stadttheater in Zürich, als der Direktor mit der Kasse durchbrannte. Kurzerhand übernahm sie das Theater selbst und führte es sechs Jahre lang, mit glühendem Ehrgeiz und viel Lob. Doch das Publikum war zu klein, um das Haus auch finanziell flottzumachen. Charlotte Birch-Pfeiffer strich die Segel. Ihre neue Stelle als Hofschauspielerin in Berlin trat sie mit einem riesigen Schuldenberg an.
Recycling mit Happy End
Als Dramatikerin war sie inzwischen eine Macht, an der kein Intendant vorbeikam. Einige prominente Kritiker sprangen recht grob mit Madame Birch-Pfeiffer um, aber sie hatte gar nicht den Ehrgeiz, für die Ewigkeit zu schreiben. Unterhaltung wollte sie bieten, und darin war sie Meisterin.
Gern verwurstete sie Romane und Erzählungen für ihre Rührschinken, beispielsweise Bestseller wie "Jane Eyre", den "Glöckner von Notre-Dame" und "Die drei Musketiere". Und am Ende ist immer alles gut. Wenn die Vorlage kein Happyend hatte, strickte sie eben eins. Das Publikum lachte und schluchzte und amüsierte sich vorzüglich.
Und die Autorin verdiente prächtig dabei. Geld bedeutete Unabhängigkeit, und darauf legte Charlotte Birch-Pfeiffer größten Wert.
Sie hatte gehofft, ihre Tochter könnte ihre Stellung in der Theaterwelt erben, doch Wilhelmine von Hillern schrieb lieber Romane, und erst Jahre nach dem Tod ihrer Mutter 1868 gelang ihr ein großer Erfolg, mit dem Alpenepos "Die Geier-Wally".