Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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22. Oktober 1961 ARD zeigt "Musik aus Studio B"

Die Schlagersendung "Musik aus dem Studio B" wurde Kult, was sicher nicht zuletzt dem Moderator Chris Howland alias Heinrich Pumpernickel zu verdanken war. Geboren wurde die Sendung, da man fürchtete vom Radio beim Thema Schlager abgehängt werden. Zahlreiche Künstler hatten dort ihre ersten Fernsehauftritte. Autorin: Carola Zinner

Stand: 22.10.2024 | Archiv

22.10.1961: ARD zeigt "Musik aus Studio B"

22 Oktober

Dienstag, 22. Oktober 2024

Autor(in): Carola Zinner

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Redaktion: Frank Halbach

Labsal, Firlefanz, Habenichts: Die deutsche Sprache ist voll herrlicher Wörter, doch wie selten werden sie gewürdigt! Es scheint fast, als bräuchte es dafür den Blick von außen. Wie den des Engländers Chris Howland, der nach dem Krieg beim Nordwestdeutschen Rundfunk als Radiomoderator arbeitete und sich mal aus einer Live-Sendung in seinem gequetschten Englisch-Deutsch als "Heinrich Pumpernickel" verabschiedete. Ausgerechnet Pumpernickel – und dann auch noch Heinrich! Schöner geht´s nicht.

Heitere Internationalität

Er wollte damit, erzählte Howland später, dem Tontechniker endlich mal ein Lächeln entlocken. Der blieb zwar mürrisch wie zuvor, doch die Hörerschaft, nicht eben verwöhnt durch Humor am Mikrofon, reagierte entzückt. Und so blieb dem Howland der Pumpernickel. Auch, als er am 22.Oktober 1961 zum ersten Mal im Studio B des NDR-Fernsehens in Hamburg als Moderator einer neuen Musiksendung auftrat. Ein schlaksiger junger Mann, gut gekleidet, der, Zigarette in der Hand, mal den Plattenspieler bediente, mal mit Studiogästen plauderte, die zuvor ihren neuesten Song zum Besten gegeben hatten, und es dabei lässig schaffte, alle in Bann zu ziehen, obwohl er doch so unglaublich schlecht Deutsch sprach. Aber vielleicht war ja auch gerade das der Grund. Denn eben diese unprätentiöse, zerkaute Sprache, hinter der so viel spontaner Witz steckte, machte "Musik aus Studio B", wie die Macher die Sendung der Einfachheit halber getauft hatten, zur Besonderheit im deutschen Fernsehen. Das bestand damals nur aus einem einzigen Programm, doch es gab bereits konkrete Pläne für einen zweiten Sender. Also hieß es fürs "Erste", sich noch schnell gut aufzustellen; vor allem bei Sendungen für das junge Publikum war noch deutlich Luft nach oben. Howland - breiter Mund, dunkle, sehnsuchtsvolle Augen hinter riesiger Hornbrille - war dafür genau der richtige.
Er verlieh dem deutschen Fernsehen jene Prise heiterer Internationalität, die den Bildschirm tatsächlich zum Fenster zur Welt zu machen schien. Obwohl in der Sendung alle Songs grundsätzlich auf Deutsch gesungen wurden und als Playback sowieso.

Unwiederbringlich

Die 45-Minuten-Sendung, die - auch das war neu - in enger Zusammenarbeit mit der Plattenindustrie entstand, wurde ein Renner. Alles, was in der Unterhaltungsmusik Rang und Namen hatte, trat hier auf, von Udo Jürgens bis zu den Bee Gees, die vernünftigerweise beim Englischen blieben. Und so lebten alle glücklich und zufrieden bis - nein, eben nicht. Denn da gab es noch den Unterhaltungschef des Senders, und der lag schon lange im Zwist mit dem Star-Moderator und dem für ihn zuständigen Redakteur. 1969 eskalierte das Ganze, Howland warf genervt das Handtuch, und das war´s dann im Grunde mit der Kultsendung, obwohl sich noch einige Nachfolger daran versuchten. Und das war´s leider auch mit den greifbaren Erinnerungen an jene, wie viele versichern, einzigartigen Fernsehstunden. Denn der gereizte Unterhaltungschef hat bis auf eine Ausnahme flugs alle Aufzeichnungen der 59 Sendungen mit Howland löschen lassen.
Dummbeutel ist übrigens auch ein sehr schönes deutsches Wort.


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