8. Oktober 1985 Das Musical "Les Miserables" wird uraufgeführt
"Les Miserables" - das Musical der Superlative: Mehr als 50 internationale Auszeichnungen, das erste westliche Musical, das in China gespielt wurde und, und, und… Autor: Markus Vanhoefer
08. Oktober
Montag, 08. Oktober 2018
Autor(in): Markus Vanhoefer
Sprecher(in): Caroline Ebner
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Das Musical ist big business, einer der lukrativsten Zweige der Unterhaltungsindustrie.
Zwar ist es einerseits ein hochriskantes, investitionsintensives Geschäft- so eine opulente Bühnen-Show muss erst mal finanziert werden. Wer jedoch andererseits das Jonglieren mit Musik, Massengeschmack und Marketing virtuos beherrscht, kann damit sagenhaft reich werden. Reicher als jeder Popstar.
Die musikalische Geldmaschine
Niemand hat dies so eindrucksvoll vorexerziert, wie Cameron Mackintosh, der britische Produzent, dem die "Sunday Times" einmal ein "Midas-Händchen" attestiert hat. Ein treffender Vergleich, denn so, wie beim König der antiken Mythologie alles zu Gold wird, was er berührt, hat der "Zauberer des West-End" so manches Musical zur Gelddruckmaschine umfunktioniert. Allen voran "Les Misérables".
Das Jahr 1983, Cameron Mackintosh hat mit "Cats" seine ersten Produzenten- Sporen verdient, als er die Schallplatte eines französischen Musicals erhält. "Les Misérables" heißt das in Paris uraufgeführte Werk nach dem Roman "Die Elenden" von Victor Hugo. Komponist ist Claude-Michel Schönberg, das Textbuch stammt von Alain Boubil.
Was das Genre Musical betrifft, ist Paris Provinz. Megaseller werden dort kreiert, wo Cameron Mackintosh tätig ist: Am Broadway oder in den Theatern des Londoner West End. Schönbergs und Boubils Schöpfung gefällt dem britischen Impressario, dennoch ist er skeptisch. Das Ding ist zu französisch. Von Franzosen für Franzosen gemacht. Und überhaupt: Ist die Geschichte vom Exsträfling Valjean und den Pariser Barrikaden von 1833 der geeignete Stoff fürs internationale Publikum?
Mackintoshs´ Verstand sagt nein, das Bauchgefühl dagegen ja. Deshalb greift er zu und lässt "Les Misérables" für den Weltmarkt runderneuern. Komponist Schönberg überarbeitet die Partitur. Ein ergänzender Prolog soll in die Handlung einführen.
"Geistlose" Hochkultur
Die Premiere der englischen Fassung von „"Les Misérables" findet am 8. Oktober 1985 in Londons neuem Kulturzentrum statt, dem Barbican Centre. Regie führt Trevor Nunn, der amtierende Direktor der Royal Shakespeare Company. Die literarische Vorlage des Musicals ist "Hochkultur", das verpflichtet. Trotz aller Erwartungen fallen die Kritiken mau aus. Das Stück sei "geistlos und synthetisch", ein "grässliches, viktorianisches Melodrama", schreibt die Presse. Die Zuschauer urteilen dagegen völligen anders. Von Anfang an ist "Les Misérables" ein Kassenschlager.
"Zufälligerweise scheint mein persönlicher Geschmack im Einklang mit dem zu sein, was die Leute wollen", lautet Cameron Mackintoshs Geschäftsgeheimnis. Sein Instinkt wird sich auszahlen. "Les Misérables" bricht fast alle Rekorde. Es ist das Musical mit der längsten Spielzeit in London, der drittlängsten am Broadway. Es wird von Hollywood verfilmt, in 22 Sprachen übersetzt und ist bis heute weltweit von 70 Millionen Besuchern gesehen worden.
"Ich glaube , dass es in meiner Generation im Musiktheater niemanden gibt, der Cameron das Wasser reichen kann, wenn es darum geht, Tickets zu verkaufen", sagt Andrew Llyod Webber über einen Mann, der es – "Les Misérables" sei Dank - vom Bühnenarbeiter zum Dollar-Milliardär gebracht hat.