Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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Kalenderblatt Bahn wird neu strukturiert

Streik, Verspätung, Verbindungsausfall – das fällt vielen ein zur Deutschen Bahn. Eigentlich aber sollte das alles ganz anders sein, hatte sich die Bundesregierung bei ihrem Grundsatzbeschluss gedacht. Im vereinten Deutschland sollte der Schienenverkehr laufen wie geschmiert. Autorin: Brigitte Kohn

Stand: 15.07.2024 | Archiv

15.07.2024: Bahn wird neu strukturiert

15 Juli

Montag, 15. Juli 2024

Autor(in): Brigitte Kohn

Sprecher(in): Christian Baumann

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Man muss kein Technik-Freak sein, um Eisenbahnen romantisch zu finden.  Wer erinnert sich nicht an die Modelleisenbahn im Kinderzimmer, als man sich seine eigenen Idylle erbaute und lernte, wie man in ihr die Weichen stellt. Ähnlich vergnüglich war das wie eine Bahnfahrt ins Urlaubsparadies.

Schienen wirken zuverlässig, denn es gibt sie ja schon lange. Mittelalterliche Bergwerks-Experten konstruierten bereits Spurbahnen und stimmten Fahrzeug und Fahrwerk aufeinander ab, und auch die ersten Dampfmaschinen entstanden Mitte des 18. Jahrhunderts im Zusammenhang mit dem Bergbau. Heute brausen ICEs mit der Startgeschwindigkeit eines Flugzeugs durch die Landschaft - falls sie nicht gerade wegen irgendeiner Störung gefühlte Ewigkeiten regungslos verharren, was auch deutschen Nahverkehrszügen inzwischen leicht passieren kann. Das Jahr 2023 war ein Rekordjahr im negativen Sinn. Marode, überalterte, störanfällige Schienen, Weichen und Oberleitungen, unpünktliche Züge und zahlreiche Bahnstreiks sorgten für Verluste in Milliardenhöhe.

Nichts los auf dem Gleis

In der alten Bundesrepublik hat vieles deutlich besser funktioniert. Aber der Zukunft war die verschnarchte Beamtenbahn damals nicht gewachsen – und Zukunft bedeutete seit dem Fall der Mauer, dass man die Deutsche Bahn mit der noch maroderen Reichsbahn der ehemaligen DDR vereinigen musste. Reformen waren unausweichlich. Man wollte wettbewerbsfähig bleiben in einer globalisierten Welt, das war das Ziel. 

Also tätigte die Bundesregierung am 15. Juli 1992 einen Grundsatzbeschluss zur Neustrukturierung der Bahn, und seit Anfang Januar 1994 ist sie eine Aktiengesellschaft mit Vorstand und Aufsichtsräten.
Eigentümer ist allerdings nach wie vor der Bund, und der ist dem Gemeinwohl verpflichtet. Eine Aktiengesellschaft aber muss profitabel wirtschaften. Und das ist nicht so einfach unter einen Hut zu bringen.

Wo geht es lang?

Nach der Wiedervereinigung stieg die Bahn ins internationale Logistikgeschäft ein und mutierte zu einem Konzern, der Güter auch per LKW, Schiff und Flugzeug durch ganz Europa, Asien und Amerika transportiert. Beim Schienenverkehr investierte man hauptsächlich in Hochleistungszüge zwischen Großstädten; ganze Regionen wurden vom Fernverkehr abgehängt. In den Metropolen flankieren jetzt schicke Einkaufszentren die Gleisgelände, während auf dem Land viele Bahnhöfe verfallen.

In Zukunft will die Bahn sich wieder mehr auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, also auf den inländischen Schienenverkehr: Mit mehr Mitarbeitern, mehr Zügen und attraktiveren Bahnhöfen als je zuvor. Skeptiker weisen darauf hin, dass man es inzwischen mit einem Moloch zu tun hat, der sich nicht mehr so einfach lenken lässt. Ach, es wäre ja schön, wenn die Welt einer Modelleisenbahn wäre, in der man alles, was aus dem Gleis gesprungen ist, einfach packen und wieder in die Spur setzen kann. Das wahre Leben ist von immer komplizierteren technologischen und ökonomischen Prozessen geprägt, und es wird viel davon abhängen, ob es gelingt, die Kontrolle zu behalten. Im Interesse des menschlichen Wohlergehens, und dies nicht nur bei der Bahn.  


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