7. November 1889 Die deutsche Plankton-Expedition kehrt zurück
Manche Forschungsreise beginnt mit überbordenden Träumen und dem dringenden Wunsch, endlich etwas Großes zu finden. Bei ihrer Tour jedoch findet die erste deutsche Plankton-Expedition jede Menge Kleines. Schon spannend, sagen die Forschenden dazu - aber halt auch recht viel Arbeit. Autor: Hellmuth Nordwig
07. November
Dienstag, 07. November 2023
Autor(in): Hellmuth Nordwig
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Schon mal von Ctenophoren gehört? Pteropoden sagt Ihnen auch nichts? Nicht mal Typhloscoleciden? Dann ist es höchste Zeit, eine fast vergessene Expedition in Erinnerung zu rufen. Deren Teilnehmer haben nämlich all das im Atlantik "erbeutet", wie sie es nannten, nebst Tripylarien, Tomopteriden und Thaliaceen, um nur beim Buchstaben T zu bleiben. Und sie sind mit ihrem Fang am 7. November 1889 wieder in den Hafen von Kiel eingelaufen. Ohne großes Hurra, die Beute waren ja keine Kolonien, sondern nur winzige Meereslebewesen. Aber es waren so viele und derart unterschiedliche, dass den Herren Jahre lange Arbeit bevorstand.
Erstmal katalogisieren
Herren? Natürlich sind es nur Männer gewesen. Acht an der Zahl, davon sieben mit stattlichen schwarzen Vollbärten, darunter ein Marinemaler, und einer immerhin mit einem ordentlichen Bismarck-Schnauzer. Das war Karl Friedrich Theodor Dahl, der später den Ausdruck "Biotop" ersinnen sollte, was viel gelehrter klingt als "Lebensraum". Und weil ein gewisser Dünkel ja schon wichtig ist in der Wissenschaft und die überdies eine internationale Angelegenheit, nennen Zoologen, wie Dahl einer war, Rippenquallen eben vornehm Ctenophoren.
Hauptsache benannt
Organisiert hatte die Expedition ein Professor der Universität Kiel: Viktor Hensen. Seine Leidenschaft waren Lebewesen, die so klein sind, dass sie im Wasser schweben und sich von der Strömung treiben lassen. Plankton hat Hensen sie genannt, "das Umherirrende", und ihm galt die Expedition, die er akribisch vorbereitet hat.
Netze aus feinster Seidengaze hat er dafür fertigen lassen, durch die nicht einmal die winzigsten Lebewesen schlüpfen können. Und auch das nötige Geld eingeworben, sogar bei Kaiser Wilhelm II. persönlich. Irgendwie musste Hensen ja nicht nur den Dampfer "National" chartern, sondern auch die zehn Dosen Ochsenzungen, Corned Beef, Linsen, Nudeln, Käse, lebendes Geflügel nebst Futter, 950 Flaschen Bier und vieles mehr bezahlen, das mit an Bord war.
Insgesamt vier Mal haben die Forscher den Atlantik auf verschiedenen Routen überquert. Jeden Tag ließen sie die Netze in die Tiefe und erhielten reiche Ausbeute: Von Kieselalgen über Würmer, Ruderfußkrebse bis hin zu Quallen war alles dabei - "mehr als mir lieb ist", wie Hensen notiert hat. Einige Lebewesen waren so empfindlich, dass an der Oberfläche nur noch Schleim ankam. Andere vermochten zu leuchten, was die Expeditionsteilnehmer an den Abenden in ihren Bann zog. Vieles haben sie in Gefäßen mit Seewasser konserviert, das meiste erst nach der Reise dokumentiert - in fünf dicken Bänden.
Einiges vermisst man aber doch in dieser Schilderung: Wie sind die acht Herren mit dem rauen Seegang fertiggeworden, den sie zweifellos erlebt haben? Was haben sie bei den wenigen Landgängen auf den Bahamas, den Kapverden, in Brasilien und auf den Azoren durchgestanden? Gab es in den fast vier Monaten nicht wenigstens einen handfesten Krach? Schade, davon lesen wir nichts. Aber über Ctenophoren und Pteropoden wirklich alles.