27. November 1886 "Effi Briest" - Das Originalduell
Lieber ein Tod in Ehren als gar keine Ehre mehr. Eine Weile sind Duelle in gehobenen Kreisen "in", gleichsam verboten, was es wiederum spannend macht. Das Duell um Elisabeth von Ardenne etwa geht durch sämtliche Gazetten. Sie wird Vorbild für den Roman "Effi Briest". Autor: Johannes Roßteuscher
27. November
Montag, 27. November 2023
Autor(in): Johannes Roßteuscher
Sprecher(in): Irina Wanka
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Gibt es eigentlich etwas Dümmeres als ein Duell? Natürlich. Es gibt immer etwas Dümmeres. Obwohl: Etwas Dümmeres als ein Duell?
Zwei Männer schießen aufeinander, bis möglichst einer tot ist. Zum Beispiel, weil er vorher den anderen so beleidigt hat, dass nur ein Schuss die Ehre wieder herstellen kann. Besonders absurd: Die Wiederherstellung gilt für beide gleichermaßen, egal wer angefangen, egal wer gewonnen hat.
Wer zieht zuerst!
Wir erinnern uns an die Deutschstunde: Ein berühmtes Duell findet statt im von vielen Schülern gehassten, aber höchst lesenswerten Roman "Effi Briest" von Theodor Fontane. Effi hat ihren 21 Jahre älteren, langweiligen Ehemann Baron Geert von Innstetten betrogen. Mit dem leichtlebigen Major von Crampas, der zwar einen invaliden Arm, aber dafür keinen Vornamen besitzt. Eine kurze Affäre – die dummerweise sechs Jahre später auffliegt. Der betrogene Baron würde das Ganze am liebsten ignorieren. Auch sein Freund Wüllersdorf rät ihm mit vielen klugen Worten von jeder Genugtuung ab. Doch Innstetten unterwirft sich ohne jede Not der Konvention. Weichei, das er ist, beschließt er, lieber zu schießen, als das zu tun, was er für richtig hält.
Einer muss dran glauben
Das Duell findet also statt - auf weniger als einer halben Seite. Kein Pathos, kein Nebel, kein Morgengrauen. Nur ein "Die Schüsse fielen", die freilich das Leben aller zerstören: Crampas, der nach dem Duell zweifellos tot ist. Innstetten, der nicht darüber hinwegkommt. Effi, die angesichts des angerichteten Unheils an gebrochenem Herzen stirbt. Ihre Eltern.
Wir wechseln nochmal, diesmal zur echten Geschichte. Fontane hatte für seinen Roman ein reales Vorbild: Das Duell zwischen dem Offizier Baron Armand von Ardenne und dem Amtsrichter Emil Hartwich - seinerzeit Tagesgespräch in Berlin. Richter Hartwich ist ein Freigeist, der sich unter anderem für Reformpädagogik einsetzt, aber, soweit man weiß, auch eine offene Ehe führt. Dummerweise verliebt er sich in Ardennes Frau Elisabeth, beginnt eine heimliche Liebschaft, der Baron wird misstrauisch, findet Liebesbriefe, und schon müssen mehrere Ehren wiederhergestellt werden.
Das Duell am 27. November 1886 hat dann im Gegensatz zum Roman jenes sinnlose Pathos, das einem echten Duell gebührt: Die Hasenheide bei Berlin als Schauplatz, Morgendämmerung - Duelle waren damals zumindest offiziell ein bisschen verboten, deshalb so gerne im Morgengrauen - einen lebenslustigen Kontrahenten, der der Überlieferung nach absichtlich daneben zielt. Und den zwirbelbärtigen Baron, der mit mehreren Schüssen dem Nebenbuhler den Unterleib zerschießt.
Die untreue Frau, Elisabeth von Ardenne, findet das zwar nicht schön, stirbt aber nicht darob, sondern beginnt ein neues Leben als Krankenschwester. Und wird für ihre liebevolle Art den Patienten gegenüber geradezu berühmt. Ihr Mann, der nur kurz entehrte Baron wird zu zwei Jahren Festungshaft verurteilt und nach 18 Tagen begnadigt. Natürlich nicht ohne sofort zum Major befördert zu werden und anschließend eine Riesenkarriere im Ministerium hinzulegen - der Reflex, Menschen für schlechte Taten zu belohnen, ist tatsächlich keine Erfindung der jüngsten Vergangenheit.