24. April 2013 Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik
Eigentlich wollten die Beschäftigten der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch am Morgen des 24. April 2013 nicht zur Arbeit gehen, denn sie hatten Risse im Gemäuer entdeckt. Aus Angst vor Lohnabzug taten sie es doch, und wenige Stunden später stürzte das Gebäude über ihnen zusammen. Autorin: Brigitte Kohn
24. April
Donnerstag, 24. April 2025
Autor(in): Brigitte Kohn
Sprecher(in): Irina Wanka
Redaktion: Frank Halbach
„Für die Mode, nicht dagegen, sei der Mensch, denn sie erfreut“, so beginnt ein Gedicht von Joachim Ringelnatz. Erfreut sind vielleicht die Konsumenten, aber nicht die ausgebeuteten Näherinnen in den Niedriglohnländern, die die aus Kundensicht erfreulich günstigen Preise erst ermöglichen, möchte man hinzufügen. Doch von Fast Fashion und Wegwerfmode, von meterhohen, tonnenschweren Müllbergen und anderen Umweltproblemen ahnte ein Dichter in den 1920er Jahren natürlich noch nichts. Ringelnatz dichtete also unbeschwert weiter:
„Durch das Weltall sei's gejodelt
Allen Schneidern zum Gewinn:
Mode lebt und Leben modelt,
Und so haben beide Sinn.“
Heute kämpft das traditionelle Schneiderhandwerk um sein Überleben. Die großen Modeketten werfen ihre massenhaft produzierten Neuheiten in immer kürzeren Abständen auf den Markt und bewerben sie mit ausgeklügelten Strategien in den sozialen Medien. Dort bleibt kein Trend unbeachtet, was ein manchmal suchtähnliches Verhältnis zur Mode befördert, das sich um Qualität wenig schert. Außerdem ist nachhaltig produzierte Mode für viele Menschen zu teuer. Der moralische Zeigefinger hilft in diesen Fällen nichts und ist unangebracht, sagen viele Modeforscher. Man müsste am System was ändern.
Die Schattenseiten der Modeindustrie
Nach der Katastrophe in Bangladesch am 24. April 2013 kam es weltweit zu erregten Debatten über dieses Thema. Viele Menschen sahen die Schattenseiten der Modeindustrie nun sehr deutlich und reagierten entsetzt. Was war geschehen? In der Stadt Savar war die Textilfabrik Rana Plaza, die für den westlichen Modemarkt produzierte, eingestürzt. Das Unglück, eines der größten in der Industriegeschichte, forderte 1134 Tote und über 2500 Verletzte.
Besonders tragisch: Die Beschäftigten, darunter viele Frauen und Kinder, wären am Morgen des verhängnisvollen Tages lieber zu Hause geblieben, denn schon am Vortag hatten sich Risse im Gebäude gezeigt und Angst ausgelöst. Doch die Chefs behaupteten, das Gebäude sei sicher, und drohten bei Nichterscheinen mit Lohnabzug. Und so setzten die Menschen, die sowieso schon am Existenzminimum lebten, gezwungenermaßen eben doch die Nähmaschinen in Gang. Wenige Stunden später stürzten Decken und Wände über ihnen zusammen. Der billige Beton hielt den vibrierenden Maschinen auf Dauer nicht stand, die oberen Stockwerke waren zu schwer und ohne Baugenehmigung draufgesetzt worden.
Fashion boomt nach wie vor
Danach kamen die Verantwortlichen in Haft, neue Sicherheitsstandards wurden festgelegt, deren Überwachung allerdings bis heute oft mangelhaft ist, und westliche Modeketten zahlten in einen Entschädigungsfonds für die Opfer ein. Dennoch: Die zentralen Missstände gibt es nach wie vor, Fast Fashion boomt noch immer, und recycelte, Second-Hand- und fair produzierte Mode ist bis heute ein Nischenmarkt. Lohnt es sich trotzdem, die eigene Kauflust mal zu überdenken? Die Konsumforschung sagt, dass der Einfluss des Verbraucherverhaltens zwar begrenzt, aber keineswegs wirkungslos sei. Und vielleicht ergeben das Leben und die Mode ja mehr Sinn und bereiten mehr Spaß, wenn man mehr auf Originalität und Qualität schaut.