15. Mai 1930 Erster Flug mit Stewardess
Tomatensaft oder Apfelsaft? Pasta oder Vegetarisch? Und dann wird jemandem übel und ein anderer bekommt Flugangst: Das Leben in der Luft ist kein leichtes für Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter - aber das schönste, dass sich die erste Stewardess Ellen Church nur vorstellen konnte. Autorin: Ulrike Rückert
15. Mai
Mittwoch, 15. Mai 2024
Autor(in): Ulrike Rückert
Sprecher(in): Irina Wanka
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Ellen Church wäre lieber Pilotin geworden. Davon träumte sie, seit sie als Kind eine berühmte Kunstfliegerin gesehen hatte. Aber nur wenigen Frauen gelang es, das Fliegen zum Beruf zu machen. Ellen Church leistete es sich als Hobby, doch ihre Brötchen verdiente sie als Krankenschwester in San Francisco.
Aber als eine Fluggesellschaft Anfang 1930 Stewards suchte, sah sie eine Chance, zumindest in die Luft zu kommen, wenn auch nicht am Steuerknüppel. Damals war ein Flieger für sechzehn Passagiere ein Großraumflugzeug, aber in den USA und Europa gab es schon Linienflüge zwischen Großstädten, auch mit Kabinenservice.
Chicken or Beef?
Der war ein Männerberuf. Warum eigentlich, Frauen seien doch viel geeigneter, beschwatzte Ellen Church den personalsuchenden Regionalmanager. Und zwar vor allem Krankenschwestern! Die seien diszipliniert, stressresistent und wären auch nützlich, wenn den Passagieren schlecht würde.
Er war begeistert. Eine großartige Publicity bekäme man damit, schrieb er an seine Vorgesetzten. Deren Antwort war kurz: Nein! Schließlich genehmigten sie doch eine Probephase. Ellen Church wurde eingestellt und mit ihr sieben weitere Frauen, allesamt Krankenschwestern.
Welcome on Board!
Am 15. Mai 1930 begrüßte sie ihre ersten Fluggäste. Unterwegs servierte sie kaltes Huhn und Obstsalat. Die Passagiere waren so begeistert von der weiblichen Betreuung, dass bald auch andere Fluggesellschaften Frauen einstellten.
Die Rollenverteilung in der Luft war bald zementiert: Männer fliegen, Frauen bedienen. Dennoch war Stewardess für Generationen ein glamouröser Traumberuf, vergleichbar nur mit Schauspielerin und Mannequin, wie Models damals hießen. Das galt besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Fluglinien die ganze Welt umspannten, Fliegen noch ein elitärer Luxus war und die Crews lange Zwischenaufenthalte genossen. Heute in New York, nächste Woche in Paris, in Thailand am Strand baden und Promis begegnen - darum rissen sich junge Frauen, zumal es für sie wenig andere attraktive Berufe gab.
Die Stewardess war eine Ikone der modernen Zeit, aber verlangt wurde die perfekte Frau nach sehr traditionellen Maßstäben: Makellos hübsch, charmant, mit den Manieren einer Highsociety-Debütantin. Brille oder große Füße kamen nicht in Frage. Dazu sollte sie studiert haben und durfte nicht verheiratet sein. Sie musste sich Gewichtskontrollen unterziehen, an Vorschriften für die Unterwäsche halten, und spätestens mit vierzig wurde sie gnadenlos aussortiert.
In den Siebzigerjahren veränderten sich die Arbeitsbedingungen und das Image radikal. Mit Großraumfliegern und Massentourismus ging die glitzernde Aura verloren. Aber auch Altersgrenzen und Heiratsverbot wurden abgeschafft. Heute ist Flugbegleitung ein normaler Beruf, in dem auch wieder mehr Männer arbeiten.
Frauen sind ins Cockpit eingedrungen, aber dort sind sie immer noch eine winzige Minderheit - und die Mehrheit in der Kabine.