Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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Kalenderblatt Karl Theodor unterschreibt die "Geburtsurkunde" des Englischen Gartens

Nachdem der Versuch des Kurfürsten Karl Theodor, das ungeliebte Bayern gegen das heutige Belgien einzutauschen, gescheitert war, widmete er sich der Umgestaltung Münchens. Dazu gehörte ein Volkspark. Die Begeisterung der Münchner über diesen Englischen Garten der "Zuagroasten" hielt sich in Grenzen. Autorin: Carola Zinner

Stand: 13.08.2024

13.08.2024: Karl Theodor unterschreibt die "Geburtsurkunde" des Englischen Gartens

13 August

Dienstag, 13. August 2024

Autor(in): Carola Zinner

Sprecher(in): Christian Baumann

Redaktion: Frank Halbach

Das mit dem Tauschversuch war natürlich ein dicker Fehler, zumal die Sache ja dann auch noch schief ging. Dass Karl Theodor in ganz Europa herumgefragt hatte, ob vielleicht jemand an Bayern Interesse habe und damit deutlich kundtat, wie wenig ihn dieses Erbe interessierte, haben ihm seine neuen Untertanen nie verziehen. Der Kurfürst seinerseits war sich keiner Schuld bewusst: Hätte ihm dieses rückständige Land mit dem ungemütlichen Klima womöglich auch noch gefallen sollen? Wo man lieber Bier trank als Wein und von gutem Essen ebenso wenig verstand wie von Kultur, sprich, wo alles so ganz anders war als im heimatlichen Mannheim.

Was tun mit dem Kaff?

Aber – gut, die Sache war nun mal wie sie war; der Wittelsbacher Erbvertrag schrieb vor, dass er als Landesoberhaupt in München zu leben hatte - irgendwas würde sich aus dem mittelalterlichen Kaff schon machen lassen. Und tatsächlich, nachdem das Straßennetz ausgebaut, die verlotterte Armee saniert und Moore trockengelegt worden waren und als dann der vom Kurfürsten hinzugezogene Amerikaner Benjamin Thompson auch noch die vielen Bettler von den Straßen geholt und eine Armenspeisung eingerichtet hatte, sah das Ganze schon deutlich besser aus. Jetzt noch ein bisschen Kultur, dann müsste es eigentlich passen. Der Kurfürst öffnet dem Volk seine Hofbibliothek, präsentiert ihm in einer der ersten öffentlichen Galerien Deutschlands die schönsten Werke seiner Gemäldesammlung und holt das berühmte Mannheimer Orchester nach München. Wo man allerdings weit davon entfernt ist, sich dankbar zu zeigen. Die Musiker werden ausgezischt und Thompson verdächtigt, mit einer von ihm kreierten Suppe den Armen den Garaus machen zu wollen. Und auch der "allgemeine englische Garten", den der Kurfürst seiner Residenzstadt per Dekret vom 13. August 1789 "gnädigst herstellen" lassen will, kommt erst mal gar nicht gut an.
Ständig musste der geplagte Hofgärtner Sckell Bäume nachpflanzen, die Vandalen nachts aus dem Boden reißen.

Der öffentliche Müßiggang der "Zuagroasten"

Im Frühling 1790 aber ist es dann trotzdem so weit: Karl Theodor besichtigt von der offenen Kutsche aus den fertigen Park. Und wie ist doch alles schön geworden! Die Bäume zeigen ein frisches Grün, die Wiesen am Ufer des Eisbachs leuchten im Sonnenschein und die Weglein und Steglein schlängeln sich so natürlich sanft dahin, als könnte es gar nicht anders sein - ganz so, wie es sich für den neuen englischen Stil gehört. "Die Kunst", lesen die Münchner anschließend in der Zeitung, "scheint hier nur deswegen den Sieg errungen zu haben, um ihn der Natur klug und bescheiden zu überlassen." Was allerdings nichts an ihrer Einstellung ändert: sie halten vom "Englischen Garten" genau so wenig wie von diesem neumodischen "Spazierengehen", das ihnen die Mannheimerei so warm ans Herz legt. Nichts als "öffentlicher Müßiggang" sei das, raunzen sie und gehen ins Wirtshaus. Karl Theodor und seine Leute können machen, was sie wollen: sie sind und bleiben für die Bayern arrogante "Zugroaste" - und die mag man hier halt einfach nicht.


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