2. Juli 1779 Erste Eisenbrücke der Welt wird eröffnet
Ein monumentales Bauwerk soll es werden, aus einem völlig neuen Material geschaffen. Eisen fasziniert die Konstrukteure zu Beginn der Industriellen Revolution. Warum nicht damit auch Brücken bauen - gewichtige und eindrucksvolle? Ein Engländer schafft dieses Vorhaben als Erster. Autorin: Susanne Hofmann
02. Juli
Dienstag, 02. Juli 2024
Autor(in): Susanne Hofmann
Sprecher(in): Caroline Ebner
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Sie war von Anfang an ein Magnet – ganz aus Eisen, damals ein absolutes Novum. Nicht nur Schaulustige und Touristen zog sie an, auch Ingenieure und Maler, ja anfangs sogar Spione. Heute gehört sie zum UNESCO Welterbe. Ein Wunderwerk der Technik: Die Iron Bridge, die erste Eisenbrücke der Welt. Gusseisern, genauer gesagt, und doch alles andere als aus einem Guss – vielmehr zusammengesetzt aus mehr als 1.700 Einzelteilen. In einem eleganten Bogen und einer Länge von 30 Metern überspannt sie den Fluss Severn in der englischen Grafschaft Shropshire. In dieser idyllischen Hügellandschaft in Mittelengland ist nicht nur das Shropshire-Schaf zuhause.
Eiserne Schönheit
Hier nimmt auch die Industrielle Revolution ihren Anfang. Eingefangen übrigens in einem Gemälde, das im Londoner Science Museum hängt: Darauf im Vordergrund eine Szene aus dem dörflichen Leben mit Cottages und Pferdewagen. Im Hintergrund, inmitten einer gewaltigen roten Rauchwolke, glimmende Koksherde und Hochöfen. Verstreut in der Landschaft die Produkte aus diesen Öfen: Eisenrohre und Eisenzylinder.
Die Gegend ist von der Natur reich beschenkt. Rohstoffe wie Kohle, Kupfer und Eisenerz schlummern im Tal des Severn. Und im 18. Jahrhundert erkennen die Engländer, dass sich daraus eine völlig neue Welt bauen lässt: eine Welt, in der es raucht und dampft, wummert und rattert. Eine Welt voller neuartiger Maschinen. Spinn- und Webmaschinen zum Beispiel. Sie katapultieren England an die Spitze der weltweiten Textilproduktion. Angetrieben werden sie von Dampf, der bald auch die erste Eisenbahn in Bewegung setzt. Und eben die Hochöfen der frühindustriellen Darby-Dynastie im Örtchen Coalbrookdale am Severn befeuert. In diesen Öfen ließ sich aus Eisenerz Eisen gewinnen.
Stück für Stück
Zunächst goss man daraus Töpfe und andere Küchengerätschaften, bald aber auch Kessel und Räder für Dampfmaschinen, Gleise für die Eisenbahn und – sämtliche Teile für die Iron Bridge. Der Entschluss, hier eine Brücke zu bauen, fiel, weil man das Eisen und all die Rohstoffe aus dem Tal möglichst flott in die Fabriken diesseits und jenseits des Flusses transportieren wollte. Der führte im Sommer zu wenig Wasser, im Winter zu viel, so dass die Fähre monatelang nicht verkehren konnte.
Und so erwirkte Eisenfabrikant Abraham Darby die Erlaubnis des Parlaments, hier eine Brücke ganz aus Eisen zu errichten. Für dieses ehrgeizige Vorhaben gab es keine Vorbilder, der Baustoff war schließlich noch ganz neu. Zwei Jahre lang wurden rund 380 Tonnen Eisen geschmolzen, um daraus die Brückenteile zu gießen, die Menge entsprach einem Drittel der gesamten damaligen Jahresproduktion.
Am 2. Juli 1779 ist es schließlich so weit: Die gewagte Konstruktion ist geglückt, die Iron Bridge überspannt zum ersten Mal den Fluss. Statement einer selbstbewussten Region und Symbol der aufstrebenden Industrienation England. Die Brücke weist den Weg in die Zukunft: Gut 100 Jahre später wird in Paris der schmiedeeiserne Eiffelturm erbaut, eine Ikone der Moderne.