28. Januar 1878 Erste öffentliche Telefonzelle aufgestellt
Man musste es mal klein und passend haben. Und dann musste man schnell reden, denn die Münzen fielen durch wie nichts. Außerdem drängte draußen schon der nächste Kommunikationswillige auf den Hörer. Autorin: Justina Schreiber
28. Januar
Donnerstag, 28. Januar 2021
Autor(in): Justina Schreiber
Sprecher(in): Caroline Ebner
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Die Telefonzelle zählt wie die Schreibmaschine zu den mittlerweile komplett überflüssigen Dingen. Einige stehen zwar noch irgendwo herum, aber nur unverbesserliche Nostalgiker kommen auf die Idee, sie auch zu benutzen. Es geht wirklich prima ohne.
"Ja? Ach, du bist es! Du, ich kann jetzt leider nicht, muss arbeiten, sorry! Okay, bis später …"
Hallo?!?!
Äh.., wo waren wir? Ach ja, komische Erfindung, so eine Zelle mit einem Quadratmeter Grundfläche, in die man sich reinquetscht, um mit jemandem zu sprechen. Wozu brauchte es da eigentlich diese Tür, die man sowieso immer mit einem Fuß aufhielt, damit der Zigarettenrauch abziehen konnte? Die meisten Leute labern doch eh nur uninteressantes, oberflächiges Zeug, oder? Außerdem sollte einem die Meinung Außen- beziehungsweise Draußenstehender piepegal sein. Logisch, in Zeiten, als man die Verbindungen noch einzeln stecken musste und es noch nicht so viele Telefonbesitzer gab wie heute, mag so eine Einrichtung ganz sinnvoll gewesen sein. Aber man stellt sich schon vor, dass es die Bevölkerung von New Haven für ziemlich gewöhnungsbedürftig hielt, als die neu gegründete örtliche Telefongesellschaft am 28. Januar 1878 dort die weltweit erste öffentliche Telefonzelle aufstellte. Vielleicht erinnerte diese phone box die Menschen ja an ein anderes Häuschen für mindestens genauso dringende Bedürfnisse.
Verbindung aus der Box
Die New Haven District Telephone Company jedenfalls, die weltweit erste kommerzielle Telefongesellschaft, hatte damals gerade mal 21 Kunden unter den 60.000 Einwohnern der Stadt. Das heißt, wer es wagte, die wie vom Himmel gefallene Kiste zu betreten und wusste, wie der neumodische Münzfernsprecher zu bedienen war, der konnte nicht unbedingt seine Großmutter anrufen. Oder was, wenn ewig das Besetztzeichen ertönte?
Die Box war schließlich nicht beheizt! Oder wenn der verdammte Groschen immer wieder durchfiel? Nicht ohne Grund liegen Telefonzellen in der Vandalismus-Statistik ganz weit vorne, und zwar noch vor den Getränkeautomaten. Aber das Geschäft mit der Telefonie ging trotzdem ab wie die Post. Was erfreulicherweise die technische Entwicklung vorantrieb und die lästige Ortsgebundenheit schon nach gut hundert Jahren wieder obsolet machte. Im Nachhinein erweist sich die Telefonzelle also als ziemlich nervige Evolutionsstufe zwischen Rauchzeichen und Smartphone. Allein schon die Haptik, diese immer klebrige Tastatur. Widerlich! Da lobt man sich doch sein Handy, da ist nur der eigene Dreck dran. Und was hast du dir die Beine in den Bauch gestanden, bloß weil da wieder so eine Quasselstrippe kein Ende finden konnte. Andrerseits konntest du selbst hier nie in Ruhe telefonieren, weil sofort irgendein Idiot gegen die Scheibe klopfte. Aber, um auch mal etwas Positives zu sagen: als Filmrequisit machte sie ihre Sache immer gut. Wenn der anonyme Anrufer endlich in einer Zelle an der 53. Straße zwischen Broadway und 8. Avenue geortet werden konnte.
"Ja? Jetzt passt es besser. Bin gleich fertig! Oder kennen Sie diesen Film, wo ein Typ, der verfolgt wird, noch eine wichtige Botschaft übermitteln will und dann dreht er sich in der engen Zelle zufällig um und sieht, dass der Bösewicht in einem Auto auf ihn zurast. Tja, so eine Telefonzelle kann zur tödlichen Falle werden. Oder auch zum Lebensrettenden Schutzraum. Aber nur in der Fiktion. In der Realität war sie eher selten dort zur Stelle, wo man sie gerade dringend gebraucht hätte. So, jetzt, erzähl, was gibt’s Neues?"