31. Januar 1990 Erster Direktflug zwischen BRD und DDR
Der Weg nach Leipzig ist lang aus dem Westen. Geflogen werden muss über Prag. Das hat politische Gründe. Als die Mauer in Berlin fällt, fängt jedoch auch die gedachte Mauer im innerdeutschen Luftraum an zu bröckeln und der erste Lufthansa-Flieger darf die kurze Strecke nehmen. Autor: Hartmut E. Lange
31. Januar
Freitag, 31. Januar 2025
Autor(in): Hartmut E. Lange
Sprecher(in): Caroline Ebner
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Es gibt Begriffe aus der Politik, unter denen kann man sich, wenn man nach der deutschen Wiedervereinigung geboren wurde, nicht mehr viel vorstellen. Zum Beispiel: Eiserner Vorhang. Winston Churchill benutzt diese Metapher nach dem 2. Weltkrieg für die martialischen Grenzeinrichtungen der Sowjetunion und der Ostblock-Staaten gegenüber den liberalen Demokratien des Westens: Eiserner Vorhang! Junge Leute, also die Schlaumeier darunter, stellen da gerne die provokante Frage: Wie hoch war der denn, dieser ominöse Vorhang? Hat der bis in den Himmel gereicht? Bestimmt nicht. Also konnte man doch drüber fliegen?
Eine Mauer über den Wolken
Konnte man nicht! Besonders scharf wurde der Luftraum an der deutsch-deutschen Grenze kontrolliert. Auf DDR-Seite lauern Luftabwehrraketen und Abfangjäger, um jeden Eindringling vom Himmel zu holen. Das Misstrauen, das die einstigen Verbündeten im Kampf gegen Nazi-Deutschland gegeneinander hegen, ist so groß, dass auch die NATO Schutzmaßnahmen ergreift. Um einen überraschenden Angriff des Ostens aus der Luft rechtzeitig zu erkennen, wird in den 1950er Jahren die ADIZ festgelegt, die Air Defence Identification Zone. Eine Sperrzone über BRD-Gebiet, parallel zur innerdeutschen Grenze. Von Lübeck im Norden bis Straubing im Süden, 40 Kilometer breit, 1.740 Kilometer lang. Nur Flugzeuge der West-Alliierten, also aus Frankreich, Großbritannien und den USA, dürfen diesen Luftraum durchqueren.
Ihre prekäre wirtschaftliche Lage allerdings zwingt die DDR irgendwann zu mehr Flexibilität. Seit 1984 erlaubt sie im Frühjahr und Herbst Sonderflüge der Lufthansa zur Leipziger Messe.
Im Gegenzug darf die DDR-Airline Interflug zu Messen nach Hamburg, Düsseldorf und Stuttgart fliegen. Aber: wegen der NATO-Sperrzone erfolgen diese Flüge immer auf Umwegen: über die Tschechoslowakei, oder über Dänemark. Ausnahmen gibt es nicht. Selbst Erich Honecker muss für seinen Besuch in der BRD im September 1987 außen rum. Die IL 62 der Interflug mit dem SED-Chef an Bord fliegt über Prag nach Bonn.
Einheitsluft
Mit der überraschenden Maueröffnung Anfang November 1989 kommt vieles in Bewegung, auch im innerdeutschen Luftverkehr. Am 31. Januar 1990 fliegt zum ersten Mal eine Lufthansa-Maschine durch die Flugverbotszone am Eisernen Vorhang. Die Boeing 737 startet in München und fliegt auf direktem Weg nach Dresden. Noch ist es ein Sonderflug, eingefädelt von Lufthansa-Chef Heinz Ruhnau und dem Bayrischen Ministerpräsidenten Max Streibl, der Politiker und Geschäftsleute zu einem Arbeitsbesuch in die sich öffnende DDR begleitet. Um 8 Uhr 45 fliegt die Maschine in den bis dahin streng verbotenen Sperrkorridor ein und überquert die Grenze zwischen BRD und DDR. Den Passagieren ist die historische Bedeutung dieses Moments bewusst. Es war mucksmäuschenstill an Bord, berichtet später eine Flugbegleiterin in einem Interview.
Anfang Oktober 1990 wird dann die Flugverbotszone über der einstigen deutsch-deutschen Grenze von der NATO aufgehoben. Die Lufthansa beginnt ihren Linienverkehr im wiedervereinten deutschen Himmel.