Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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8. Oktober 1958 Erster Herzschrittmacher eingesetzt

Beide glaubten nicht an einen langfristigen Erfolg der Methode: der Arzt Åke Senning und sein Patient Arne Larsson, dem als erstem Mensch ein Herzschrittmacher eingesetzt wurde. Heute ist das einzigartige Ereignis für viele Chirurgen Routine geworden - und trotzdem eine Sensation geblieben. Autor: Hellmuth Nordwig

Stand: 08.10.2021 | Archiv

08.10.1958: Erster Herzschrittmacher eingesetzt

08 Oktober

Freitag, 08. Oktober 2021

Autor(in): Hellmuth Nordwig

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Wer den Sport liebt, der blickt 1958 nach Schweden. Im Juni ist dort Fußball-Weltmeisterschaft: Brasilien gewinnt zum ersten Mal, auch dank eines Nachwuchsspielers namens Pelé, der im Finale sein sechstes Tor erzielt. Und im August zieht bei der Leichtathletik-Europameisterschaft der Russe Sergej Popow beim Marathon in 2 Stunden 15 Minuten an seinen Gegnern vorbei - eine neue Weltbestzeit.

Aus dem Takt

Natürlich will auch der ehemalige Eishockey-Nationalspieler Arne Larsson in den Stadien seines Landes mitfiebern. Aber er hat Pech. Schon länger ist das Herz des 43-Jährigen immer wieder aus dem Takt geraten und steht immer häufiger ganz still. Jetzt kommt noch eine Herzmuskelentzündung dazu. Zwar ist es seiner Frau Else Marie noch jedes Mal gelungen, ihn wiederzubeleben: Ein heftiger Faustschlag auf die Brust lässt Arnes Herz wieder pochen. Aber den beiden ist klar: So wird es nicht lange weitergehen.

Else Marie schreibt ans Karolinska-Krankenhaus in Stockholm. Dort ist seit zwei Jahren Åke Senning für die Herzchirurgie zuständig. Eigentlich wollte er Ingenieur werden, und alles Technische interessiert den Arzt immer noch. Zum Beispiel ein Gerät, das er in den USA kennengelernt hat - sozusagen die elektrische Version der Faust: Wird der Herzschlag zu langsam, setzt es einen Stromstoß, bis zu 150 Volt. Wer so etwas braucht, der ist verkabelt und muss das Gerät wie einen Einkaufswagen vor sich her schieben.

Das muss auch anders gehen, findet Rune Elmqvist. Auch er ist Arzt mit einem Faible für Technik. Für eine Firma tüftelt er schon eine Weile daran, einen Schrittmacher für das Herz so klein hinzubekommen, dass Åke Senning ihn in den Körper einpflanzen kann. Als Else Larssons Brief eintrifft, unternimmt er einen neuen Versuch.

Nimmt eine leere Schuhcreme-Dose als Form und ordnet in ihr alles an, was er braucht. Auch einen Akku, den man von außen aufladen kann. Dann gießt er die Dose mit Epoxidharz aus. Nur zwei Drähte ragen heraus.

Bleibende Sensation

Am 8. Oktober 1958 ist Eile geboten. Bis zu 30 Mal täglich muss Arne Larsson inzwischen reanimiert werden. Åke Senning wagt die Operation. Er sägt Arnes Brustkorb auf, befestigt die Drähte am Herzen des Patienten und vernäht die Epoxidharz-Scheibe unter seiner Haut. Doch schon nach sechs Stunden macht der Akku schlapp. Zum Glück hat Rune Elmqvist ein Reserveexemplar gegossen, das länger durchhält.

Åke Senning wird ein hoch angesehener Chirurg, wandert in die Schweiz aus und stirbt dort mit 84 Jahren. Und sein nahezu gleich alter Patient überlebt ihn sogar - dank 26 Herzschrittmachern, die ihm im Lauf der Jahre eingesetzt werden. Da ist dieser Eingriff für die Ärzte längst Routine. Larsson ruft aber den Herzchirurgen, als ihn die im Jahr 2000 zu einem Kongress einladen, in Erinnerung: "Sie glauben, so ein Schrittmacher ist heute nichts Sensationelles mehr? Da liegen Sie falsch. Er ist immer noch eine Sensation - für den Patienten."


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