25. März 1697 Erste Station auf der Geheimreise von Peter dem Großen
Manchmal muss man raus, die Welt sehen und neue Eindrücke mitbringen. Schwierig bloß, wenn man der russische Zar ist und einen jeder kennt. Also zieht Peter der Große inkognito los und geht seinen Mitreisenden bald gehörig auf den Wecker mit seiner permanenten Entdeckerfreude. Autor: Sebastian Kirschner
25. März
Montag, 25. März 2024
Autor(in): Sebastian Kirschner
Sprecher(in): Christian Baumann
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Reisen bildet, heißt es. Reisen erweitert den Horizont. Reisen schenkt einem viele neue Erfahrungen. Und je länger die Reise, desto intensiver die Erfahrungen. Mit dem Fahrrad quer durch Afrika strampeln, mit dem Segelboot über die Weltmeere schippern, nur mit dem Rucksack bepackt durch Südamerika trampen.
Freiheit schnuppern. Sich selbst und anderen etwas beweisen – auch wenn man auf den ersten Etappen unter Umständen schon merkt: Mist, das Reisewaschmittel ist schon gleich alle, hätte ich mir doch lieber bequemere Schuhe angezogen, und meine Lieblingshose hab ich auch vergessen. Und dann? Umkehren? Trotzdem weitermachen?
Wenn schon, denn schon
In Ansätzen mag es so auch einem gewissen Pjotr Michailow gegangen sein, als er am 25. März 1697 mit der schwedischen Provinz Livland im heutigen Riga seine erste Etappe erreicht. Die Gegend: weitab von Pjotrs zuhause in Moskau. Der Mann: 25 Jahre jung, gute zwei Meter hochgewachsen und von Beruf - nunja, Zar von Russland, bekannt als Peter der Große. Aber das soll niemand wissen. Man reist inkognito. So gut es mit zwei Metern Größe halt geht.
Was niemand weiß ...
Denn nur inkognito, glaubt Peter, kann er sich frei bewegen bei dem, was vor ihm liegt. Eine Reise, die 18 Monate dauern, quer durch Europa führen und einiges umkrempeln wird im verstaubten Russland. Von wegen "Erst wenn du in der Fremde bist, weißt du wie schön die Heimat ist"!
Rückständig findet Peter sein Land! Technisch, modisch, in der Verwaltung, in einfach allem. Und deswegen muss er dorthin, wo gerade der Puls der Zeit schlägt.
Niemals zuvor war ein russischer Zar mit friedlichen Absichten ins Ausland gereist. Anders Peter. Er will lernen. Will sein Land, das für den Westen quasi noch im Mittelalter lebt, nach Europa öffnen. Dorthin, wo Rembrandt, Rubens, Thomas Hobbes und Isaac Newton gerade wirken.
Dafür tourt er in einer Großen Gesandtschaft von 250 Mann: Preußen, Holland, England - überall wirbt er Fachleute an, saugt Wissen auf wie ein Schwamm. Peter ist interessiert an allem: Kunst, Mathematik, Literatur, Religion. An Medizin so leidenschaftlich, dass seine Mitreisenden sich sogar fürchten, Zahnschmerzen vor ihm zuzugeben. Er studiert Mikroskope, Barometer, Windrosen, Münzen, Schiffsbau und Artilleriewesen.
In der Tat schafft Peter mit seiner Tarnung, sich um das höfische Protokoll zu drücken. Lässt sich sogar zum Schiffszimmermann ausbilden. Und trinkt und feiert bisweilen ebenso exzessiv, wie er lernt. Einer Unterkunft in England etwa bleibt zuletzt nur noch die Generalsanierung: der Rasen zertrampelt, die Fußböden zerschunden, die Stühle verfeuert, Gemälde für Schießübungen genutzt.
Als Peter nach Russland heimkehrt, hat er eine Überraschung für seine Landsleute parat. Was wäre eine Reise, ohne ein Mitbringsel? Zum Wiedersehen zieht Peter ein scharfes Rasiermesser hervor und beginnt, seinen Beamten eigenhändig die Bärte abzuschneiden. Für die bartliebenden Russen ein Frevel, für Peter eine überflüssige Zierde, die nicht mehr zu seinem neuen Russland passt.