20. Dezember 1720 Georg Paul Hönns Betrugslexikon erscheint
Große Lügen, kleine Lügen - darf man manchmal, darf man nie? Ein wenig Orientierung im Gespinst der Lügen gab Georg Paul Hönn. Am 20. Dezember 1720 erschien sein "Betrugslexikon". Autorin: Petra Herrmann
20. Dezember
Donnerstag, 20. Dezember 2018
Autor(in): Petra Herrmann
Sprecher(in): Krista Posch
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Die Wahrheit sei einfach, so heißt es. Wenn´s wahr ist, ja dann wäre die Lüge wohl ihr Gegenteil: verwirrend, kompliziert und vielfältig. Und wenn das wiederum wahr ist, dann hatte der Jurist, Schriftsteller und Doktor Georg Paul Hönn allen Grund, die verschiedensten Lügen zu sammeln, zu katalogisieren, aufzulisten und schließlich am 20. Dezember 1720 zu veröffentlichen - in Form eines Lexikons, eines - und das ist Zitat - "Betrugs-Lexicon worinnen die meisten Betrügereyen in allen Ständen nebst denen darwider guten Theils dienenden Mitteln entdecket". Schließlich habe er in seiner Jugend viele Reisen unternommen und danach 33 Jahre lang das Amt eines Richters versehen, da sei ihm schon einiges zu Ohren gekommen.
Schlechtes Mehl, zu kleine Brötchen
Sein "Betrugs-Lexicon", dieses nie dagewesene Werk, war denn auch eine Pioniertat, die vom Publikum seiner Zeit begeistert aufgenommen wurde… Ob sich inzwischen was geändert hat, so in der Betrugs-Praxis, rein empirisch gesehen? Also, der gute alte Hönn nimmt vor allem Warenfälschungen und unlautere Dienstleistungen einzelner Berufsgruppen aufs Korn: Schuster, die alte Schuhe aufpolieren und sie als neue verkaufen, Bäcker, die mit schlechtem Mehl zu kleine Brötchen backen.
Die modernen Formen liegen auf der Hand. Gammelfleisch, Olivenöl garantiert kaltgepanscht, Glykol im Wein, Würmer in Fischstäbchen, Antibiotika in Garnelen, Dioxin im Schweinefutter, Faule Eier im Nudelteil, Mäusekot im Mozzarella… Kein Wunder: das Wort "Lüge" wird vom lateinischen lucrum, dem Wort für „Gewinn“ abgeleitet. Hönn nannte aber auch eine Vielzahl von zunächst immateriellen Betrügereien, zum Beispiel: „Bücher-Schreiber betriegen / …wenn sie aus vielen Büchern etwas zusammenschreiben, und es nachgehends vor ihre eigene Invention ausgeben" Tja. Sollten Politiker so ihre Doktorarbeit machen, um rasch an einen Karriere fördernden Titel zu kommen, nennt man das heute Plagiat. Ein zeitgemäßer Umgang mit Intertextualität ist es jedoch, wenn Autoren gute Passagen von anderen abschreiben, weil ihnen selbst gerade nichts einfällt…
Und heute? Nichts als Lug und Trug!
Ob aber Lügen nicht doch kurze Beine haben, fragen Sie? Na, ja. Schon Georg Paul Hönns Lexikon lehrt, dass auch die dicksten von ihnen ganz gut und lange damit gelaufen sind. Und heute? Nichts als Lug und Trug! Massenvernichtungswaffen im Irak, Korruptionsskandale bei Siemens und VW, Wahlversprechen jede Menge…
Vorsicht! ruft hier die Wissenschaft dazwischen. Die Lüge hat zwar kein besonders gutes Image, moralisch gesehen, aber sie ist eine evolutionsbiologische Notwendigkeit. Sie erst machte den Menschen wirklich intelligent. Um nämlich den Lügen der anderen nicht auf den Leim zu gehen und um die eigenen geschickter zu tarnen, hat er seine besondere Eignung fürs mathematische Denken entwickelt.
Das glauben Sie nicht? Dann denken Sie diese These doch weiter, spitzen Sie sie zu! Was kommt heraus: ohne Lüge kein Computer. Na sehen Sie, Sie haben´s doch schon immer gewusst: Teufelszeug sind sie, diese PCs, diese Laptops, diese Notebooks! Wird schon Recht haben, die Wissenschaft. Obwohl auch sie hat schon zugeben müssen, dass sie hin und wieder die Unwahrheit sagt - wissentlich oder unwissentlich. Unsicherheitsfaktor Mensch! Der sei halt so schwer einzuschätzen.
Und das ist garantiert nicht gelogen.