7. Juni 1520 Gipfeltreffen im Goldenen Zeltlager
Spanien, das Heilige Römische Reich – alles voller Habsburger. König Franz I. von Frankreich suchte nach einem Gegengewicht. Dazu traf er sich mit König Heinrich VIII. von England. Dabei versuchten beide den anderen mit möglichst viel Pomp, Prunk und kostbaren Geschenken zu übertrumpfen. Autorin: Ulrike Rückert
07. Juni
Freitag, 07. Juni 2024
Autor(in): Ulrike Rückert
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Mitten in dem kleinen Tal stand ein goldenes Zelt. Pfeifen, Trommeln und Trompeten erschollen aus zwei Richtungen. Auf den Hügelkuppen zu beiden Seiten erschienen Hunderte Reiter, begleitet von Fußsoldaten. In der Nachmittagssonne glitzerten Mäntel aus Goldtuch und goldene Hellebarden. Stille. Dann ein Tusch.
Von jeder Seite kam ein Reiter langsam den Hang herunter. Goldene Glöckchen klingelten am Zaumzeug, Hutfedern wippten, Juwelen blitzten. Im Tal spornten sie ihre Pferde, galoppierten aufeinander zu und fielen sich vor dem Zelt noch im Sattel in die Arme.
So begann am 7. Juni 1520 ein Gipfeltreffen zwischen Heinrich VIII. von England und Franz I. von Frankreich.
Ein Friedensfest
Ein Friedensfest sollte es sein. Heinrich hatte mit seinem Status unter den Herrschern Europas gehadert, und sein Berater hatte ihn überzeugt, dass er sich besser als mit einem Krieg als Friedensstifter profilieren könnte. Tatsächlich hatte er es geschafft, dass alle großen Mächte des Kontinents einen Nichtangriffspakt unterschrieben. Für künftige Konflikte wurde Heinrich zum Vermittler bestimmt. Das Treffen mit dem König von Frankreich, nach Jahrhunderten der Feindschaft zwischen den beiden Reichen, sollte diese glückliche Zukunft besiegeln.
Es war ein Glanzstück der Eventplaner. Bei Calais in Nordfrankreich hatten sie auf die grünen Wiesen zwei Zeltstädte für zwölftausend Aristokraten, Ritter und ihre Diener gezaubert. Franz residierte in einem gigantischen Pavillon aus Goldtuch, Heinrich in einem zehntausend Quadratmeter großen Palast aus Holz und bemalter Leinwand. Die Prachtzelte fürs adlige Gefolge leuchteten in Karminrot, Blau und Violett – und viel Gold. Wappenbanner flatterten, goldener Zierat schimmerte.
Achtzehn Tage lang jagten sich Turniere und Ringkämpfe, Bankette, Tänze und Maskenspiele. Es gab einen Musikwettstreit und Feuerwerk.
Die Herrschaften hatten sich aufs Edelste ausstaffiert, in Goldbrokat und goldfarbenem Samt, behängt mit schweren Goldketten. Die Pagen gingen in golddurchwirkter Seide, und sogar Heinrichs zwei Äffchen steckten in goldenen Wämsern.
Recycling fürs Feldlager
Man ahnt, warum die Veranstaltung als das "Goldene Zeltlager“ in die Geschichte einging. Ein Duell von Macht und Pracht, perfekt choreographiert. Das Wichtigste im minutiös ausgetüftelten Protokoll war, dass keiner der beiden Könige jemals dem anderen den Vorrang geben musste. Deshalb waren sogar für das erste Treffen die Hügel beidseits des Tals aufgeschüttet worden, damit sie sich auf genau gleicher Höhe gegenüber standen.
Die Botschafter, die an dem Fest teilgenommen hatten, berichteten haarklein an ihre heimatlichen Höfe. Ausführliche Berichte wurden gedruckt und in ganz Europa gelesen. Heinrich, mit seinem vergleichsweise kleinen Reich und kleinen Einkommen, hatte aller Welt gezeigt, dass er sich auf gleichen Fuß mit dem König von Frankreich stellen konnte. Insofern war es ein voller Erfolg.
Für die Waffenruhe, die gefeiert wurde, kann man das nicht sagen. Nur zwei Jahre später lagen Heinrich und Franz im Krieg miteinander. Die Zelte vom Friedensfest wurden fürs Feldlager recycelt.