Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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21. November 1997 Pop-Gruppe Tic Tac Toe verstreitet sich auf Pressekonferenz

Als die Girlband Tic Tac Toe sich 1997 auf einer Pressekonferenz in die Haare kriegte war der Skandal perfekt: ein peinlicher Zickenkrieg, so das Medienecho. Tatsächlich peinlich war der Umgang von Presse und deutscher Öffentlichkeit mit den drei jungen Frauen. Autorin: Isabelle Arcucci

Stand: 21.11.2023 | Archiv

21.11.1997: Pop-Gruppe Tic Tac Toe verstreitet sich auf Pressekonferenz

21 November

Dienstag, 21. November 2023

Autor(in): Isabella Arcucci

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Am 21. November 1997 bot sich den deutschen Medien im Münchner Lustspielhaus ein wahres Lustspiel. Die legendäre Pressekonferenz der Girlband Tic Tac Toe. Lee, Jazzy und Ricky, drei rotzfreche Gören zwischen 19 und 23, zofften sich vor laufenden Kameras. Was als Dementi gegen Trennungsgerüchte geplant war wurde zum Mega-Fiasko.
Ricky: "Wenn ich jetzt anfange, wirklich unsere ganzen alten Kamellen aus der untersten Schublade rauszuholen (...) dann werdet ihr beide nur noch Scheiße rufen!"
Lee: "Wenn wir Freunde wären, dann würdest du so nen Scheiß überhaupt nicht machen!"

Girlpower aus dem Ruhrpott

Jawohl: "Scheiße". Ein Wort, das man anno 1997 hier im öffentlich-rechtlichen Rundfunk kaum auszusprechen wagte. Tic Tac Toe brachen Tabus und machten aus Scheiße buchstäblich Gold. "Ich find dich Scheiße" hieß nämlich auch ihr erster Nummer-1-Hit. Girlpower war in den 90ern in. Die Sängerin der Band Lucilectric quietschte: "Ich bin so froh, dass ich ein Mädchen bin!" und Lockenkopf Blümchen piepste: "Herz an Herz hörst du mich? SOS ich liebe Dich…". Und dann kamen Tic Tac Toe: Drei Hip Hopperinnen aus dem Ruhrpott, die den Machos ordentlich einschenkten:

"Du gehst mir auf den Keks noch nie gehört von Aids?
Und zieht sich jetzt dein Pillermann nicht sofort einen Gummi an
sag ich dir klipp und klar: dann bin ich nicht mehr da! Leck mich am A-A...“ und so weiter.

Radikal feministisch! Nein, kindisch und prollig, so deutsche Musikkritiker. Super!, fand Michael Jackson und machte die drei zur Vorband für seine Deutschlandtour. Tic Tac Toe scheffelten Millionen, schwammen auf einer Erfolgswelle - die sie überrollte.

Hassattacken statt Mitgefühl

Die Presse deckte Lees Vorleben auf. Es ging um Drogen und um Lees Ehemann, den sie auf Geheiß des Managements geheim hielt - und der sich das Leben nahm. Schuld daran war Lee, eiskalt und erfolgsgetrieben, so das Fazit der Boulevard-Medien. Mitleid mit der jungen Witwe gab es nicht. Stattdessen Hassattacken und Morddrohungen gegen die Band. Ricky, mit 19 das Nesthäkchen, war nervlich am Ende. Es kam zu Spannungen, die auf der Pressekonferenz eskalierten. Jazzy über Ricky: "Sie bräuchte ihren Psychotherapeuten mit dabei, um sich mit uns zu treffen und mit uns zu reden". Ricky: "Oh Mann ihr könnt echt gut lügen!"
Schließlich rauschten alle drei von der Bühne.
Der Anfang vom Ende einer Erfolgsgeschichte.

Nur Stunden später saß eine schüchterne Ricky vor Harald Schmidt und verteidigte sich tapfer und recht eloquent. Sie sei in keiner Psychotherapie, sondern in einem Antistress Coaching. Die Öffentlichkeit aber hatte ihr Urteil gefällt: Tic Tac Toe drei prollige Zicken und speziell Ricky eine unreife Dumpfbacke mit psychischem Dachschaden und einer Quäkstimme, die sich super für Parodien eignete. Unreif waren vor allem die deutschen Medien und die Öffentlichkeit. Bereit für Texte über Pillermänner, aber nicht in der Lage, Themen wie Suizid und psychischer Gesundheit respektvoll zu begegnen. Im Nachhinein erscheint vieles in einem etwas anderen Licht.
Wie ein Internetnutzer unter das Video von Rickys Interview schrieb: "Die ist ja gar nicht so hohl wie ich dachte. So kann man sich irren. Starke Frau!"


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