Bayern 2 - Das Kalenderblatt


4

7. September 1788 Goethe und Schiller haben ihr erstes Date

Manche Freundschaften bahnen sich holprig an, halten dann aber ein Leben lang. So ergeht es Goethe und Schiller. Das erste Treffen der beiden wird zu Katastrophe. Man mag sich spontan ganz und gar nicht. Im Laufe der Zeit aber wird aus den beiden das Traumpaar der Klassik. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 07.09.2023 | Archiv

07.09.1788: Goethe und Schiller haben ihr erstes Date

07 September

Donnerstag, 07. September 2023

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Irina Wanka

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Zwei Jahre war er weg. Ohne Abschied verschwunden, bei Nacht und Nebel heimlich durchgebrannt nach Italien. Zwei Jahre kunst- und sinnenfroher Selbstfindungstrip! Und jetzt wieder Weimar! Aber nur halb. Ganz heimgekehrt ist Goethe noch nicht. Er fremdelt, tut kühl mit allen, schwärmt vom Süden, weiß nicht so recht, wohin mit sich in dieser graueren, kälteren Welt.

Ja! Wohin mit sich in dieser grauen Welt? Die Frage treibt auch Friedrich Schiller um, der seit einem Jahr in Weimar lebt. Hier, wo er ohne Maulkorb denken, sprechen und schreiben kann; hier, wo Herder, Wieland und nun endlich auch wieder Goethe wirken. Ach, Goethe! Sich von diesem Giganten, diesem Herrscher im Reich der Poesie, gesehen, wahrgenommen, anerkannt zu fühlen, welche Wonne müsste das sein!

Aber Goethe spielt in einer anderen Liga: Geheimrat, Günstling der Götter, Mehrfachminister, Freund und Vertrauter des Herzogs, pures Menschen- und Dichtergold. Und er? Ein entlaufener Regimentsarzt, dauerkrank, dauerpleite, dauerelend. Da hilft es wenig, wenn jeder den Don Carlos und die Räuber lobt. Die Kluft zwischen dem da oben und ihm hier unten ist nicht überbrückbar.

Das sehen Charlotte und Caroline von Lengefeld entspannter. Die literarisch und auch am Literaten interessierten Schwestern haben Schiller eingeladen, den Sommer in Rudolstadt zu verbringen. Sie wissen, wie sehr ihr Besuch auf eine Bekanntschaft mit Goethe brennt, und sind entschlossen, den Wunsch zu erfüllen. Allein schon, weil Rudolstadt der ideale Ort für eine geschickt arrangierte Kuppelattacke ist: Die adligen Schwestern und ihre Mutter unterhalten beste Beziehungen zum dortigen Hof, führen ein gastliches Haus und sind mit Goethe persönlich bekannt.
Nichts könnte also natürlicher sein, als dem Heimgekehrten ein Sommerfest auszurichten: Eine heitere Geselligkeit im Grünen, handverlesene Gäste, Plauderlaune und Tafelfreuden, was soll da schon schiefgehen?

Alles! Alles geht schief. Und wie! Die erste Begegnung des später so unzertrennlichen Gespanns ist eine Katastrophe: Goethe gibt am 7. September 1788 in Rudolstadt den obersten Italienkenner, sondert gönnerhaft Smalltalk ab, bleibt ansonsten unnahbar und lässt Schiller eiskalt abblitzen.

Der ist tief gekränkt und keilt in einem Brief an seinen Freund Körner kräftig gegen Goethe aus: Der gefeierte Olympier, schreibt er, ist in Wahrheit bloß ein selbstverliebter Blender, ein aufgeblasener, egomaner Menschenfresser.

Goethe geht es mit Schiller kaum besser. Er hasst das überdrehte Kraftgewese des Jüngeren, hasst sein krawalliges Freiheitpathos. Das ist nicht mehr seine Welt. Er hat sich das Stürmen und Drängen längst gründlich ausgetrieben, und findet keinen Geschmack mehr daran.
Sechs Jahre leben sie in Weimar grußlos Tür an Tür. Man hält Abstand, schneidet sich, bleibt einander fremd. Erst im Sommer 1794 kommt doch noch zusammen, was von nun an auf ewig zusammengehört: Goethe und Schiller, das Klassikertraumpaar, unsterblich im Doppelpack, best buddies for ever!


4