12. August 1922 Das Salzburger große Welttheater wird uraufgeführt
Hugo von Hofmannsthals "Das Salzburger große Welttheater" basiert auf dem barocken Mysterienspiel des spanischen Dichters Pedro Calderón de la Barca. Hofmannsthals anderes berühmtes Mysterienspiel "Jedermann" war hingegen zunächst eine Art Lückenbüßer. Aber "Jedermann" blieb, das "große Welttheater" nicht. Autorin: Justina Schreiber
12. August
Freitag, 12. August 2022
Autor(in): Justina Schreiber
Sprecher(in): Caroline Ebner
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Bernhard Kastner
Das Leid, das der Erste Weltkrieg über Europa gebracht hatte, war unermesslich. All die Toten, Versehrten und Traumatisierten, die zerstörten Städte und Landschaften. Dazu der Zusammenbruch der Monarchien, der einer Epochenwende gleichkam. An was konnten sich die Menschen in diesen Zeiten der Not und Massenarbeitslosigkeit bloß orientieren?
Der Zauber vergangener Zeiten
Nun, ein paar Leute aus der Kulturbranche hatten da eine Idee, genauer: der Schriftsteller Hugo von Hofmannsthal und der berühmte Theatermacher Max Reinhardt: wie wäre es mit der Gründung von Festspielen in Salzburg, um vor historischer Kulisse haltgebende, konservative Werte zu vermitteln?! Wie wäre es zum Beispiel mit einem Bühnenstück, das im Rückgriff auf längst vergangene Zeiten den Zauber einer festgefügten Weltordnung präsentierte? Ähh, ein bisschen eskapistisch klang das schon. Aber Hugo von Hofmannsthal machte sich im Sommer 1919 gleich an die Arbeit. Sein Plan "Das große Welttheater" des barocken Dichters Pedro Calderón de la Barca für Salzburger Verhältnisse zu adaptieren, geriet allerdings schon bald ins Stocken. Dem zeitgenössischen Grauen und Chaos, der eigenen inneren Leere etwas Substantielles entgegenzusetzen, war bestimmt nicht einfach. Zumal auch sein kreativer Mitstreiter, von Berlin aus, allerlei Bedenken und Einwände äußerte. Unterm Strich dauerte es drei Jahre, bis "Das Salzburger Große Welttheater" endlich soweit fertig war, dass man es am 12. August 1922 erstmals aufführen konnte. In der Zwischenzeit kam als Festspiel-Lückenbüßer Hofmannsthals zehn Jahre altes Stück "Jedermann" zum Einsatz.
Jedermann blieb
Die Premiere des "Welttheaters" fand dann aber nicht auf dem Domplatz statt, sondern auf drängenden Wunsch des regieführenden Max Reinhardt in der Salzburger Kollegienkirche. Ob es dem begnadeten Illusionskünstler darum ging, die inhaltlichen Schwächen des neuen Mysterienspiels zu vertuschen? Die feierliche Atmosphäre des Gotteshauses und die Fülle an dramaturgischen Einfällen, die er dem Text seines Freundes angedeihen ließ, verfehlten ihre Wirkung beim Publikum tatsächlich nicht. Wobei man dazu sagen muss, dass zur Uraufführung eigens 200 geladene Presseleute aus England, Frankreich, Deutschland und sogar Amerika angereist kamen. Kein Wunder, dass der Wiener Publizist Karl Kraus Gift und Galle spuckte wegen dieses dreckigen "Betrugs" an der "um ihr nacktes Leben ringenden" Menschheit. Nicht nur, dass der Salzburger Erzbischof den Erlös der Einnahmen für die Renovierung der Kollegienkirche erhielt, weil er sie widerstrebend zwar, aber letztlich als Theaterort freigegeben hatte … !
Am übelsten stieß kritischen Geistern die zentrale Szene des allegorischen Stücks auf: der Bettler, der als Einziger gegen die Rolle aufbegehrt, die ihm auf Erden zugeteilt ist, dieser Inbegriff eines Revolutionärs, wird, die Axt schon zum Angriff erhoben, binnen Sekunden aus blauem Himmel religiös erweckt: O, mein Gott! So ließ sich das gebeutelte, frustrierte Volk definitiv nicht von der Bühne herab belehren, zumal es im Zuschauerraum gar nicht anwesend war. "Das Salzburger große Welttheater" verschwand jedenfalls schnell wieder vom Spielplan der sich etablierenden Festspiele. Und der "Jedermann", der Ersatzmann, blieb.