24. November 1858 Johann Strauss spielt die Tritsch-Tratsch-Polka
Die "Tritsch-Tratsch-Polka" war Johann Strauss Sohns Antwort auf den Tritsch und Tratsch der Wiener Boulevardpresse. Genügend Anlass für Tritsch und Tratsch hat der schöne Jean freilich gegeben. Autor: Frank Halbach
24. November
Mittwoch, 24. November 2021
Autor(in): Frank Halbach
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Glamour! Kreisch! Und alles, alles, jedes pikante Detail will der in erster Linie weibliche Fan über das beschwärmte Idol aus der Boygroup wissen. So ist das heute – und so war es schon früher. Auch beim schönen Jean, dem flotten Pepi und dem feschen Edi. Na, kennen Sie diese jungen Burschen? Genau, das ist das Walzerimperium Strauss, dem die Mädels in tantiemenhungriger Liebe nachstellten: Johann Strauss Sohn und seine Brüder Josef und Eduard.
Eine Boygroup namens Strauss
Wie? Sie meinen die Brüder Strauss, das war gar keine Boygroup? Nun, kennzeichnend für Boygroups scheint ihr kommerzieller Charakter, der sich auf spezielle Zielgruppen ausrichtet, wobei die Musik aktuellen Trends folgt. "Die jungen Wiener", "Jugend-Träume", "Czechen-Polka", "Serben-Quadrille" sind nur einige Titel der Top-Hits der Brüder Strauss. Zielgruppe: Jugend und Zugereiste. Häufig wird bei Boygroups kritisiert, die optischen Qualitäten seien wichtiger als die stimmlichen. Optisch setzen die Strauss-Boys auf enganliegende Anzüge, Glanzlederschuhe und diamantene Krawattennadeln, und auch bei ihnen überwacht ein erfahrener Musikproduzent das Gesamtkonzept: die Mama. Vor allem im Fasching touren die Brüder in gigantischen Shows durch Wien - Werbeplakate zeigen die Burschen zwischen Damenkapellen, Schlangenmenschen und Riesen. Der Frage nach der stimmlichen Qualität gingen Jean, Pepi und Edi aus dem Weg, indem sie, statt zu singen, Geige spielten. Und ja, zugegeben, Jean hatte nicht ganz Unrecht, als er sagte: "Nur weil diese Musik vielen Menschen gefällt, muss sie ja nicht gleich schlecht komponiert sein."
Klatsch und Tratsch
Und was heute die "Bravo", das war damals der "Tritsch-Tratsch" – eine Zeitung, die gerne spekulierte, ob ein Strauss verliebt, verlobt oder gar verheiratet wäre.
So fragte sich der "Tritsch-Tratsch" auch 1858, als Johann – Jean – aus dem Sommeraufenthalt in Russland zurückkehrte, welchen amourösen Angelegenheiten, sich der Strauss, neben seiner Hauptbeschäftigung – Hits komponieren – im Zarenreich gewidmet haben könnte. Statt aber intime Details preiszugeben, führte er als Antwort am 24. November 1858 die "Tritsch-Tratsch-Polka" auf, um sich damit über die Boulevardjournaille gehörig lustig zu machen. Ätsch!
Aber wer zuletzt lacht, lacht am besten. Und als echter Promi kann man ja auch nicht wirklich auf die Regenbogenpresse verzichten, oder? Dementsprechend sorgte Jean mit seinen Frauen für ausreichend Tritsch und Tratsch: die erste Auserwählte war acht Jahre älter als er und hatte sieben uneheliche Kinder von verschiedenen Männern. Die zweite wollte sich vom Meister Strauss, so sagt sie, "nur ihre Stimme prüfen lassen". Jeans eingehende Prüfung währt immerhin vier Jahre. Und die nächste? Tritsch hin, Tratsch her, mit ihr übertreibt es Herr Johann Strauss Sohn dann doch: sie wird zum Dorn im Fleisch der Donaumonarchie. Denn dort ist man katholisch, heißt, bis Gott Euch scheidet. Also wechselt Jean die Konfession und wird Protestant – Tritsch. Das genügt aber noch nicht – Tratsch: er muss auch die Staatsangehörigkeit wechseln.
Jean seufzt: "Was tut man nicht alles für ein Weib“, und wird nicht Ehrenbürger von Wien, sondern – Sachse!