Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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2. Mai 1874 Karl May wird aus dem Zuchthaus entlassen

Karl May schreibt in seiner Autobiographie, seine schriftstellerischen Karriere habe begonnen, während eine Prozesses innerer Läuterung, als er wegen mehrerer krimineller Vergehen in Haft saß. Nein, seine Laufbahn startet nach der Haft, wieder daheim bei den Eltern im Erzgebirge. Autor: Frank Halbach

Stand: 02.05.2024 | Archiv

02.05.1874: Karl May wird aus dem Zuchthaus entlassen

02 Mai

Donnerstag, 02. Mai 2024

Autor(in): Frank Halbach

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Manchmal. Manchmal sind Anfänge fauler Zauber und ab und an ganz schön deprimierend. Und zuweilen sind Anfänge zugleich Enden. Es ist einfach kompliziert mit den Anfängen von wirklich großen Geschichten, denen von Helden, Blutsbrüderschaft und Abenteuern in der fernen Weite.

Ein Ende als Krimineller

An diesem Anfang stand die Enge: Die Enge einer Gefängniszelle. Karl May saß in Waldheim, dem größten Zuchthaus Sachsens. Betrug, Diebstahl, Landstreicherei – dieser Anfang war das Ende von Karl Mays Karriere als Kleinkrimineller. Und dieses Ende war der Anfang von Karl Mays innerer Wandlung und zugleich der Beginn seines schriftstellerischen Schaffens – behauptet er selbst in seiner Autobiografie "Mein Leben und Streben". Eine Behauptung, die – so romantisch sie auch klingt - der Wahrheit leider nicht standhält. Denn eine schriftstellerische Betätigung war in Waldheim nicht möglich. Resozialisierung durch progressiven Strafvollzug gehörte damals nicht zu den Vorzügen im Königreich Sachsen.

Karl Mays Beteuerung, sein Leben als Autor habe in der Waldheimer Gefängniszelle begonnen, ist ein Märchen. Es ist damit gewissermaßen der Anfang von Mays Laufbahn als Hochstapler, aber es ist nicht die Geburt von Winnetou, Old Shatterhand oder Kara Ben Nemsi. Und das deutlich auszusprechen, ist das Ende eines immer wieder kolportierten Mythos.

Ein Anfang als Dichter

Denn es fängt erst mit dem Ende an: dem Ende der Haft. Am zweiten Mai 1874 wird Karl May aus dem Zuchthaus entlassen. Er kommt bei seinen Eltern in Hohenstein-Ernstthal unter und - beginnt zu schreiben.
Das ist aber immer noch nicht der Anfang von Winnetou und Old Shatterhand. Die erste veröffentlichte Erzählung heißt: "Die Rose von Ernstthal". Sie ist nicht nur der Auftakt zu Karl Mays Bestimmung als Schriftsteller, sondern auch der Beginn einer Reihe von Erzählungen: die "Erzgebirgischen Dorfgeschichten". Eine wilde Mixtur aus Dorf-, Liebes- und Kriminalgeschichten.

In der Welt der "Erzgebirgischen Dorfgeschichten" sind die Guten verteufelt gut und die Bösen himmlisch böse. Die Helden: meist krasse Außenseiter. Ungefähr so krass wie ein Deutscher unter Apachen. Es sind Helden, die zurückkehren – nein, nicht aus dem Gefängnis! -  aus der fremden Fremde, vom Horizont der fernen Weite. Und nach ihrer Rückkehr stellen sie echt ehrfurchtgebietende Fähigkeiten unter Beweis – ungefähr so als könnte ein Mann jeden beliebigen Schurken mit einem Fausthieb bewusstlos zu Boden schicken oder 25-mal schießen, ohne nachzuladen.

Geschichten vor dem realistischen Hintergrund des Erzgebirges mit überhöhten fiktionalen Helden. Ist das etwa schon der Anfang des Realitätskonfliktes eines Mannes, der nicht zwischen sich und Old Shatterhand zu unterscheiden wusste? Das Ende von Karl Mays klarem Verstand? Vielleicht. Aber irgendwie dann doch auch der Anfang einer Unzahl von Abenteuerromanen voller Reisen in den Vorderen Orient, den Wilden Westen und zu unseren Bildern im Kopf: von nordamerikanischen Ureinwohnern, die Karl Mays blühender Fantasie entstammen.


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