Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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12.09.1878 Transportkosten für "Kleopatras Nadel" an die Themse endlich bezahlt

Pompös und beeindruckend sollte das Geschenk sein, das der neue ägyptische Herrscher Muhammad Ali schicken wollte. Ein Dankeschön an König George IV, ohne britische Hilfe wäre er nicht an die Staatsspitze gekommen. Problem bloß bei monströsen Geschenken: Wie sie zustellen? Autorin: Susanne Hofmann

Stand: 12.09.2024

12.09.1878: Transportkosten für "Kleopatras Nadel" an die Themse endlich bezahlt

12 September

Donnerstag, 12. September 2024

Autor(in): Susanne Hofmann

Sprecher(in): Christian Baumann

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Es war die Chance für den ehrgeizigen Kommandeur Muhammad Ali: Napoleons Truppen hatten sich 1801 an den Briten die Zähne ausgebissen und waren aus Ägypten vertrieben worden. Im Land am Nil entstand ein Machtvakuum. Für Muhammad Ali hieß der britische Sieg: freie Bahn. Er löst Ägypten aus der Umklammerung der osmanischen Fremdherrschaft und begründet seine eigene Dynastie. Bis heute gilt er als großer Modernisierer.

Seine Dankbarkeit gegenüber den Engländern, die ihm diese Entwicklung erst ermöglichten, muss unermesslich gewesen sein. Eine Geste musste her oder besser ein Geschenk, um dem englischen Prinzregenten und späteren König George IV seine Reverenz zu erweisen.

Blume, Pralinen oder was?

Was aber schenkt man einem Mann, der aufgrund seiner Geburt bereits alles hat? Einem Mann, über den der englische Schriftsteller Thackeray, eine der spitzesten Federn seiner Zeit, schreibt: "Ich sehe Seidenstrümpfe, Wattierungen, einen Mantel mit Fröschen und einem Fellkragen, ein unglaublich parfümiertes Taschentuch, eine der besten nussbraunen Perücken des Hoflieferanten Truefitt – stark pomadisiert –, ein Gebiss und einen großen schwarzen Stock, eine Unterweste, noch mehr Unterwesten und dann – nichts." Unter seinen Untertanen muss George kolossal unbeliebt gewesen sein. Er galt als eitel, sein Lebenswandel war ausschweifend, seine Vorliebe für Pomp legendär.

Hauptsache groß und spitz

Der ägyptische Herrscher entschied sich für ein Präsent, das selbst dieser luxusverwöhnte Regent zumindest nicht übersehen konnte: Es maß 21 Meter, wog 200 Tonnen und war aus Rosengranit gehauen – ein Obelisk. Ursprünglich, vor mehr als 3.000 Jahren, ragte er am Eingang eines altägyptischen Tempels in den Himmel. Später bekam er den Namen: Nadel der Kleopatra.

Wie George auf das Geschenk reagierte, ist nicht überliefert. Man weiß nur, dass er den Obelisken nie zu Gesicht bekam. Denn der Übergabe stand so einiges im Weg: Vor allem das Mittelmeer und der Atlantik und damit riesige Transportkosten, die niemand schultern wollte. Die Überführung sollte nach heutiger Rechnung rund eine Million Pfund kosten.

Erst über ein halbes Jahrhundert nachdem Muhammad Ali den Obelisken an England verschenkt hatte, fand sich ein Mann, der willens und vermögend genug war, den Transport der schwergewichtigen Nadel zur britischen Insel in Angriff zu nehmen: Sir Erasmus Wilson, ein englischer Chirurg, Dermatologe und Hobby-Ägyptologe. Er ließ einen Ingenieur einen gigantischen Metallzylinder konstruieren, der um den Obelisken herum zu einem Schiff zusammengesetzt wurde. Im Meer wurde der eigentümliche Kahn dann von einem Frachtdampfer ins Schlepptau genommen und nahm Kurs auf England. Alles schien auf einem guten Weg, als das Gespann vor der Küste Frankreichs in einen Sturm geriet. In ihrem verzweifelten Versuch, das Schiff zu retten, ertranken sechs Seeleute. Und Kleopatras Nadel in ihrem zigarrenförmigen Gehäuse trieb herrenlos auf dem wilden Meer. Wie durch ein Wunder tauchte sie aber an der nordspanischen Küste wieder auf, wurde wieder an die Kandare genommen, in die Themse eingefädelt und ins Herz von London geschleppt.
Dort wurde sie von Schaulustigen begeistert begrüßt und am 12. September 1878 zu Salutschüssen am Ufer der Themse errichtet.


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