Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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21. Oktober 1638 Kugelblitz beendet Gottesdienst

Am 21. Oktober 1638 zerstörte ein Kugelblitz im englischen Widecombe-in-the-Moor die Dorfkirche und tötete vier Menschen. Halluzination? Spuk? Gar Teufelswerk? Rund 340 Jahre später hat sich auch die seriöse Wissenschaft des Phänomens der gleißenden Lichterscheinungen angenommen. Autor: Michael Zametzer

Stand: 21.10.2024

21.10.1638: Kugelblitz beendet Gottesdienst

21 Oktober

Montag, 21. Oktober 2024

Autor(in): Michael Zametzer

Sprecher(in): Irina Wanka

Redaktion: Frank Halbach

Was schnell ist, liegt im Auge der betrachtenden Person. Aber nur, wenn das Auge schnell genug ist: Drei Meter legt die gemeine Stubenfliege pro Flugsekunde zurück, da kommt das Auge noch mit. Eine Gewehrkugel schafft schon 870 Meter in derselben Zeit. Keine Chance mehr für einen Augenblick. Schnell wie der Blitz aber ist wirklich nur – der Blitz. Ein Blitzschlag schlägt mit durchschnittlich 100.000 Kilometern in der Sekunde zu Buche beziehungsweise in die Erde ein. Wäre es nicht spannend, einen Blitz mal für mehrere Sekunden, vielleicht sogar für eine Minute, in seiner ganzen, faszinierenden, gleißenden und auch zerstörerischen Urgewalt zu betrachten? Blitz verweile doch, du bist so schön – aber eben auch so tödlich!

Potz Blitz!

Die 300 Besucherinnen und Besucher des Gottesdienstes der St. Pancras-Kirche im südwestenglischen Widecombe-in-the-Moor hatten am 21. Oktober 1638 eine Begegnung mit einem mysteriösen Blitzphänomen. Während der Predigt zog plötzlich ein schweres Gewitter auf, es regnete aus Eimern – und ein Feuerball schoss durch ein Fenster der Kirche. Kein normaler Blitz, der von oben nach unten in die Erde einschlägt, sondern ein Kugelblitz! Vier Menschen starben, etwa sechzig wurden verletzt, die Kirche schwer beschädigt.

Nun liegt Widecombe-in-the-Moor, wie der Name schon sagt, in einer Moorlandschaft, auch noch im gruseligen Dartmoor, wo schon Arthur Conan Doyles „Hund von Baskerville“ sein Unwesen trieb. Eine Gegend also, in der Übernatürliches und Unheimliches sowieso schon zuhause ist. Und es wundert nicht, dass die Moorbewohner des Jahres 1638 nicht physikalische Ursachen für das Kugelblitzunglück heranzogen. Für sie war es nicht weniger als – ein Besuch des Teufels!
Eine wissenschaftliche Untersuchung gestaltete sich allein deshalb schon schwierig, weil man ja eigentlich nie weiß, wann ein Kugelblitz auftritt.

Unerklärliches Phänomen?

Das ist erst einer Forschergruppe aus China gelungen. Die Wissenschaftler hatten 2012 unabsichtlich einen Kugelblitz aufgenommen, als sie Gewitter untersuchen wollten. Direkt nach einem Blitzeinschlag manifestierte sich ein sphärisches Gebilde etwa zehn Meter über dem Boden. Diese Beobachtungen stützten eine Theorie, nach der Kugelblitze durch einen normalen Blitzschlag im Boden entstehen, wenn Sauerstoff und verdampfende Erdelemente wie Silizium, Kalzium und Eisen miteinander reagieren.
Allerdings ist das nur ein Erklärmodell für das Phänomen Kugelblitz. Vielleicht sind auch Erdbeben die Ursache, oder Mikrowellenstrahlung?
Trotz aller Experimente und Untersuchungen ist das Geheimnis der leuchtenden Blitzerscheinungen also nicht endgültig geklärt. Wäre auch schade – für das englische Widecombe-in-the-Moor, denn was wäre ein Moordorf ohne seine Spukgeschichten? So soll im Jahr 1980 ein amerikanisches Ehepaar auf Hochzeitsreise dort ein paar Dutzend schwarz gekleidete Personen beobachtet haben, die schweigend in der Ortsmitte umherwanderten. Eine Idee des örtlichen Fremdenverkehrsamtes? Oder doch die Seelen der Toten von 1638? Dass die rund zehn Mal so zahlreich waren wie die tatsächlichen Kugelblitzopfer, beweist nur: es gibt immer noch Dinge, die nicht ohne weiteres zu klären sind.


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