3. Januar 1851 Léon Foucault experimentiert im Keller mit Erdrotation
Er ist genial, präsentiert eine Erfindung nach der anderen, entdeckt Bahnbrechendes, pendelt die Erdrotation aus. Auf der menschlichen Ebene allerdings macht es einem das Genie Foucault schwer. Sich selbst übrigens auch, denn so richtig mit Ehre überhäufen will den Unsympathen keiner. Autor: Hellmuth Nordwig
03. Januar
Mittwoch, 03. Januar 2024
Autor(in): Hellmuth Nordwig
Sprecher(in): Christian Baumann
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Gar nicht so selten sind ungewöhnlich schwierige Charaktere zugleich außergewöhnlich begabt. Als wollten sie der Welt sagen: Mögen müsst ihr mich nicht, aber um Anerkennung kommt ihr nicht herum. Warum gerade geniale Künstler oder Wissenschaftler manchmal alles andere als liebenswert sind, darüber sollen sich Psychologen den Kopf zerbrechen. Sicher ist: Wenn so jemand stirbt, gibt es anstandshalber ein paar höfliche Worte, die würdigen, was das Ekelpaket der Nachwelt hinterlässt. Aber wirklich trauern wird niemand.
Schrecklich, aber genial
So ist es auch 1868, als Léon Foucault auf dem Friedhof von Montmartre in Paris beigesetzt wird. Nur 48 Jahre ist er alt geworden; sein letztes war vor allem geprägt von Krankheit. Aber was hat er nicht alles in dieser kurzen Lebensspanne zu Stande gebracht: sich autodidaktisch Physik beigebracht, nachdem er die Schule mangels Fleißes und wegen widerwärtigen Betragens verlassen musste. Sich mit seinem einzigen Freund im Moment des größten gemeinsamen Erfolgs auf Lebzeiten verkracht. Und auch sonst beharrlich eine Gegnerschaft aufgebaut, die es ihm fünf Mal verwehrt, in die französische Akademie der Wissenschaften gewählt zu werden.
Unausstehlich, aber bahnbrechend
Beim sechsten Anlauf kann dann wirklich niemand mehr daran zweifeln, dass Léon Foucault derart Bahnbrechendes geleistet hat, dass sein Charakter bei der Wahl hintanstehen muss. Er hat einen Riecher für wichtige wissenschaftliche Fragen, die er als äußerst geschickter Bastler durch neu konstruierte Instrumente löst.
Zum Beispiel macht er in bis dahin unerreicht kurzer Belichtungszeit die ersten fotografischen Aufnahmen der Sonne; sogar die Sonnenflecken sind deutlich zu sehen. Er konstruiert auch eine Dampfmaschine, die einen Spiegel 800 Mal pro Sekunde um sich selbst drehen lässt - um damit letztlich in einer raffinierten Versuchsanordnung die Lichtgeschwindigkeit zu bestimmen, bis auf ein Prozent genau, wie wir heute wissen.
Berühmt wird der Physiker ohne Schulabschluss aber durch einen Versuch, den er erstmals am 3. Januar 1851 bei sich zu Hause im Keller durchführt: Er konstruiert ein Pendel mit einer zwei Meter langen Schnur, die ein Messinggewicht trägt. Die Schnur reißt zwar, ausnahmsweise aber nicht Foucaults Geduld: Er wiederholt den Versuch mit immer längeren Seilen und größeren Gewichten. Was passiert, wenn das Pendel in Schwingung versetzt wird, ist nicht neu: Schon Galileis Mitarbeiter Vincenzo Viviani hat 190 Jahre zuvor beobachtet, dass die Richtung der Pendelspitze am Boden mit der Zeit kreisförmig wandert. Doch er kann das noch nicht erklären. Foucault ist sicher: Ursache ist die Rotation der Erde, die sich unter dem Pendel wegdreht. Wenige Wochen später führt er den Versuch im Pariser Pantheon mit einem 67 Meter langen Seil der Öffentlichkeit vor. Dort kann man ihn heute noch erleben, genau wie in vielen Wissenschaftsmuseen. Dieser Ruhm wird Léon Foucault bleiben - dass er aber nicht genügend "Gefälligkeit (besaß), in der Welt als angenehmer Mensch aufzutreten", wie ein Zeitgenosse höflich schreibt: Diese Erinnerung ist inzwischen glücklicherweise verblasst.