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13. November 1974 Das deutsche Fernsehen zeigt Loriots "Telecabinet"

Mal eben die britische Königin zu Gast, berühmte Rennfahrer oder weltbekannte Diven – für eine Talkshow ist so ein Gästeensemble herausragend. Denkt man und schaut ein zweites Mal hin, denn: In Loriots "Telecabinet" ist nichts und niemand echt. Nur echt lustig ist die Sendung. Autor: Martin Trauner

Stand: 13.11.2024 | Archiv

13.11.1974: Das deutsche Fernsehen zeigt Loriots "Telecabinet"

13 November

Mittwoch, 13. November 2024

Autor(in): Martin Trauner

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Am 13. November 1974 strahlt der SDR, also der Süddeutsche Rundfunk, die Sendung "Telecabinet" aus. Der Macher heißt: Viktor von Bülow. Bekannt unter seinem Künstlernamen "Loriot". - Loriot: der Kauz, der Exzentriker: So soll er etwa seine spätere Bühnenpartnerin Evelyn Hamann dazu aufgefordert haben, jeden Tag auf seine Kosten eine Schweinshaxe zu essen, damit aus ihr die rundliche deutsche Hausfrau wird, die er sich für seine Sketche vorstellt…

Viktor von Bülow

Aber noch mal zurück zu "Telecabinet". Es ist eine Art Talkshow, die da 1974 ausgestrahlt wird. Eine gescriptete, wie wir heute sagen würden. Denn: kein Gast ist echt… Loriot hat alle Texte geschrieben. Die sind: geschliffen. Er führt Regie: penibel. Er spielt sich selbst: als Präsentator, als Moderator. Und dann schlüpft er auch noch in andere Rollen... Anfangs sitzt Loriot auf seinem bekannten roten Sofa: "Guten Abend meine Damen und Herren! Es ist schon ziemlich spät. Und Sie sind sich darüber im Klaren, dass sie entweder was lesen oder früh schlafengehen sollten."

Kauz

Der Moderator der Talkshow heißt Viktor Schmoller, natürlich ist das Viktor von Bülow, mit einem angeklebten Schnurrbart. Seine Gäste sind: eine "weltberühmte" Opernsängerin, gespielt von Brigitte Mira, ein Rennfahrer, ein Pseudo-Beethoven und Doktor Dattelmann, Professor für zeitgemäße Etikette. - Ein Platz bleibt frei. Ein blauer Thron. Für die englische Königin. Die kommt dann auch noch. Eingeflogen aus London, gelandet in Stuttgart. Unter den "Klängen der britischen Nationalhymne in der Fassung Ludwig van Beethovens". Sagt man zumindest im Einspieler.
Die Queen im deutschen Fernsehen! In einer Talkshow! Ihr Thron kann per Knopfdruck gekippt werden... Irgendwie britischer Humor, irgendwie so wie Monty Python.

Nun muss man, um bei den gehobenen Worten des adeligen Victor von Bülow zu bleiben, "konstatieren", britischer Humor und auch das Format der Talkshow waren Anfang der 1970er Jahre in Deutschland relativ unbekannt. Nun: Der mit allerlei Humor gesegnete Loriot lernte den Waliser Timothy Moores kennen. Dessen Eltern betrieben eine Schafzucht, ihn verschlug es, warum auch immer, nach Deutschland. Hierzulande arbeitete er als Regisseur. Durch und durch ein Kauz, ein Exzentriker. Und so hatten sich die Verantwortlichen beim SDR gedacht, bringen wir doch den englischen Kauz mit dem deutschen Kauz zusammen. Mit Loriot. Der präsentierte bisher für den Sender seine selbst gezeichneten Cartoons, also seine berühmten Knollennasen. - Timothy Moores inspirierte den Meister, doch mal höchstselbst in die Rollen seiner Karikaturen zu schlüpfen. Aus den gezeichneten Knollennasen wurden echte Menschen, alle immer ein bisserl kauzig und exzentrisch.

Aber um jetzt zum absurden Schluss zu kommen: Evelyn Hamann nahm das Schweinshaxenangebot nicht an und wurde später trotzdem Loriots kongeniale Bühnenpartnerin.

Timothy Moores lieferte Loriot noch die englisch vertrackten Namen für die berühmte Ansage von Evelyn Hamann, bevor er sich von den Medien zurückzog und als Bergmann und Butler arbeitete. Und ein Kritiker behielt auch nicht recht, der 1974 prophezeite: "In drei Jahren gibt es keine Talkshows mehr. Das läuft sich tot!"


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