Kalenderblatt Marineluftschiff L-8 landet als Geisterschiff
Am 16. August 1942 kam in Kalifornien ein Geisterschiff an. Doch dieses Geisterschiff kam nicht auf dem Wasser: Es ereignete sich ein in der Luftfahrt einmaliger Vorfall. Das Luftschiff L8 landete mit schlaffer Hülle, die Motorenschalter auf "ein", mit intakter Kabine, aber ohne Besatzung. Autor: Michael Zametzer
16. August
Freitag, 16. August 2024
Autor(in): Michael Zametzer
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Redaktion: Frank Halbach
Am frühen Nachmittag des 16. August 1942 landet ein Luftschiff der US-Marine auf einer Straße im kalifornischen Küstenort Daly City nahe San Francisco. Eine perfekte Landung von L8, so der Name des Fluggeräts. Es ist in gutem Zustand, nur die Ballonhülle ist durch Gasverlust leicht deformiert. Der Motor läuft noch, und auch in der Luftschiffgondel gibt es keine Auffälligkeiten. Alle Instrumente arbeiten einwandfrei. Nur – von der Besatzung fehlt jede Spur. Schaulustige sammeln sich um das Luftfahrzeug, die Feuerwehr schneidet die Hülle auf, um nach den beiden Männern zu suchen, die eigentlich an Bord hätten sein müssen: Lieutenant Ernest DeWitt Cody, 27, und Co-Pilot Fähnrich Charles Adams, 38 Jahre alt.
Das Geisterschiff
Die Beiden waren am Morgen um 6 Uhr von einem kleinen Flugplatz auf "Treasure Island", einer künstlichen Insel in der Bucht von San Francisco, aufgebrochen. Ihr Auftrag: mit dem Luftschiff Ausschau nach japanischen U-Booten vor der Küste Kaliforniens zu halten. Denn seit einem knappen dreiviertel Jahr führten die USA Krieg gegen Japan im Pazifik. Und seitdem wurden auch zivile Fahrzeuge für das Militär requiriert. Das Luftschiff hatte – anders als die deutschen Zeppeline – kein starres Gerüst aus Aluminium, nur der Wasserstoff in seiner Hülle hielt es in Form. Diese "Blimps" wie sie in Amerika heißen, waren ursprünglich für Reklamezwecke gebaut worden. Nun versahen sie – mit zwei Bomben und einem Maschinengewehr leicht bewaffnet – ihren Dienst beim Militär.
Um 07 Uhr 42, knapp zwei Stunden nach dem Start, meldete Lieutenant Cody einen verdächtigen Ölfilm auf dem Wasser, etwa 25 Meilen vor San Francisco – ein Hinweis auf ein feindliches U-Boot? Diesen Ölfilm wollten die Männer weiter untersuchen. Der Funkkontakt brach ab. Dabei wurde L8 in den folgenden Stunden immer wieder am Himmel gesichtet.
Ein Frachter und ein Fischkutter beobachteten aus der Gondel gefallene Signalfackeln – also müssen die Männer zu diesem Zeitpunkt noch an Bord gewesen sein. Auch Badegäste an den Stränden der Bucht sahen das Luftschiff, das allerdings außer Kontrolle geraten zu sein schien.
Schicksal im Dunkeln
Nach der Auswertung von Augenzeugenberichten wurde recht schnell klar, dass sie schon von Bord gewesen sein mussten, als das Luftschiff die Küste erreichte. Trieben sie also in ihren Schwimmwesten im Pazifik? Wurden sie von einem Schiff aufgegriffen, vielleicht von einem feindlichen U-Boot? Ein offizieller Untersuchungsbericht kam zum Schluss, dass einer der beiden sich an die offene Gondeltür gelehnt haben könnte, um die Ölspur des vermeintlichen japanischen U-Bootes besser in Augenschein nehmen zu können. Dabei könnte er aus der Gondel gefallen sein - und sein Kamerad bei dem Versuch, ihn zu retten, gleich mit. Oder waren die Beiden etwa desertiert? Mit den Jahren schuf die Popkultur noch fantasievollere Erklärungen, wie etwa die Entführung durch Aliens oder den Einsatz geheimer Mikrowellenstrahlen durch das US-Militär. Letzten Endes blieb das Schicksal von Cody und Adams aber im Dunkeln. Die beiden unglücklichen Besatzungsmitglieder von L8 wurden nach einem Jahr für tot erklärt und L8 ging als das bislang erste und einzige Geisterluftschiff in die Geschichte ein.