13. Juni 2004 Ein Meteorit schlägt bei Familie Archer ein
Die Familie Archer kam mit dem Schrecken davon: Unangemeldet und ungebeten schneite außerirdischer Besuch herein. Besser gesagt: durchschlug das Dach, machte sich auf dem Sofa breit, brannte ein Loch hinein und kullerte dann unter den PC-Tisch - der Meteorit von Ellerslie, ein ganz schöner Brocken. Autorin: Katharina Hübel
13. Juni
Donnerstag, 13. Juni 2024
Autor(in): Katharina Hübel
Sprecher(in): Caroline Ebner
Redaktion: Frank Halbach
Es ist ein gemütlicher Samstagvormittag bei den Archers in Ellerslie.
Ellerslie liegt recht geruhsam da in der weiten neuseeländischen Landschaft, ein Vorort von Auckland, in dem fast nur Wohnhäuser stehen und in dem die meisten Straßen nach Familienmitgliedern des aller ersten Bewohners und Begründers von Ellerslie benannt sind, dem Schotten Robert Graham. Dort, wo seine Frau jeden Tag entlang geritten ist zum Beispiel, da findet sich heute noch die "Ladies Mile". Überhaupt: Pferderennen! Und auch die Blumenschau sind DIE Höhepunkte im Jahresablauf von Ellerslie.
Ende der Beschaulichkeit
Doch es gibt noch ein Ereignis, mit dem dieser bis dahin so beschauliche Ort förmlich aus seiner Stille herausgerissen worden ist. Es ist der 13. Juni 2004 um zirka neun Uhr dreißig, als Brenda Archer in der Küche steht und das Frühstück für die Familie vorbereitet. Der einjährige Luca spielt im Raum nebenan. Plötzlich gibt es einen Riesenkrach und wallende Rauchschwaden verhüllen den Blick ins Wohnzimmer. "Es war, als ob eine Bombe hoch gegangen wäre", sagt Brenda Archer wenig später den Lokalreportern. Doch es war weniger etwas hochgegangen, als vielmehr etwas herabgefallen. Aus heiterem Himmel. Als der Staub sich legt, wagt sich Ehemann Phil Archer ins Wohnzimmer, in dem kurz zuvor noch Luca gespielt hat. Dem ist nichts passiert. Dem Wohnzimmer jedoch geht es längst nicht so gut. Ein großes Loch in der Decke. Das völlig zugestaubte, einst senfgelbe Leder-Sofa hat einen hässlichen, großen Brandfleck. Ein gesplittertes Dach, durch das etwas mit vollem Karacho durchgekracht ist. Phil Archer sucht nach der Ursache. Und findet sie. Einen noch glühenden grapefruitgroßen, dunklen Gesteinsbrocken. Ein Stein, aus den Wolken gefallen.
Es ist außerirdische Materie. Ein Meteorit, der sich aus dem All bis zu den Archers durchgeschlagen hat, sich seinen Weg gebahnt hat aus einem Asteroidengürtel irgendwo zwischen Mars und Jupiter.
Wo ist Nummer zehn?
Zielsicher durch die Erdatmosphäre, durch die Wolkenschicht in freiem Fall Richtung Erdoberfläche beendet er nach 4,6 Milliarden Jahren seine lange Reise: unter dem Computertisch von Familie Archer. Neuseelands Meteorit Nummer neun. Heiß serviert zum Frühstück. DAS Thema in Ellerslie und der Welt - doch etwas enttäuschend für die Forscher: War das schwarze Trümmerteil doch nur ein Chondrit aus der Zeit, als unser Sonnensystem geboren wurde. Viele kleine Silikatkügelchen zusammengepresst zu einem Ballen, dazwischen blinkt es metallisch-silbern. Für die Wissenschaftler unspektakuläres kosmisches Sedimentgestein. Wie 86 Prozent aller Meteoriten, die auf der Erde so gefunden werden. Sammler allerdings bieten den Archers 50.000 Dollar für diesen außerirdischen Gast, der da so stürmisch hereingeplatzt war. Die Archers lehnen dankend ab und übergeben ihn dem Auckland War Memorial Museum, wo er von Fans aus aller Welt bewundert werden kann. Er hat etwas verändert für Ellerslie. Und: ein ganz neues Hobby begründet, das den Pferderennen zur Konkurrenz werden könnte: Die Jagd auf Meteorit Nummer zehn.