19. November 1862 Österreichischer Alpenverein gegründet
Wer hoch hinaus will, muss erstmal wissen wie. Niedergesprungen ist ein Gipfel in frühen Zeiten nämlich oft deshalb nicht so schnell, weil weder Forststraßen noch ausgetretene Pfade von unten nach oben führen. Der Alpenverein ändert das. Autorin: Regina Fanderl
19. November
Dienstag, 19. November 2019
Autor(in): Regina Fanderl
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Wenn in den Nachrichten zu hören ist, dass wieder ein völlig ahnungsloser Draufgänger an der Watzmann-Ostwand gescheitert ist, dann mag bei dem einen oder anderen erfahrenen Bergsportler Nachdenklichkeit aufwallen. Wie blöd kann man denn eigentlich sein? Nicht ohne Grund waren es Professoren und Studenten der Universität Wien, die am 19. November 1862 im Grünen Saal der Akademie der Wissenschaften den zweiten Alpenverein der Welt gründeten. Ausgerechnet die fernen Briten waren mit ihrem elitären "Alpine Club" fünf Jahre eher dran.
Hinauf! Aber wie?
Die Alpen, so befanden die Herren in Wien, bedürfen gründlicher Erforschung, ehe man drauf losstiefelt. Weite Teile der eindrucksvollen Bergwelt waren damals so gut wie unbekannt. Wer hinauf wollte, musste sich erst einmal auf Alm- und Jagdsteige verlassen und dann schauen, wie weit er überhaupt noch kommt. Mangels topografischer Karten blieb nichts Anderes übrig, als den bisweilen recht vagen Informationen von Jägern oder Holzknechten zu vertrauen. Das waren die einzigen, die sich, neben den Wilderern, halbwegs auskannten. Denn wer nicht musste, stieg freiwillig nirgendwo hinauf!!! War schon in Tallagen die Plackerei groß genug. Berge, so die verständliche Meinung der Ureinwohner, versperren die Aussicht, ziehen Unwetter an und bedrohen die Menschen mit Muren und Lawinen.
Wir reisen an und wandern weiter
So rekrutierten sich die frühen Freizeit-Bergsteiger aus meist städtischen Kreisen der Forschung, des Vermessungswesens, des Militärs oder auch der Geistlichkeit. Das Vereinsleben des "Österreichischen Alpenvereins" beschränkte sich anfangs auf wissenschaftliche Vorträge und Publikationen. Also mehr auf die Theorie, was andere Bergsteiger sieben Jahre später in München bewog, den "Deutschen Alpenverein" zu gründen, der die praktische Arbeit im Gebirge zum Ziel hatte.
Wohlgemerkt unter der Federführung eines Österreichers, des wackeren Pfarrers Franz Senn aus dem Ötztal. Die Münchner Saat ging auf und überzeugte auch die Wiener. Schon 1873 verschmolzen beide Alpenvereine zum pragmatischen "Deutschen und Oesterreichischen Alpenverein", dem unaussprechlichen "DuOeAV". Die in Sektionen gegliederte Vereinigung wollte den Wanderern und Kraxlern auch im Wortsinn den Weg freimachen. Gerne auch mit Unterstützung wohlhabender Mäzene.
Der Erfolg gab dem Tiroler Geistlichen recht. Innerhalb kürzester Zeit formierten sich in zahllosen, auch alpenfernen Regionen neue Sektionen. Bis hinauf ins flache Brandenburg. Weibliche Bergfexen waren dabei weitgehend unerwünscht. Gelände erkunden, Hütten und Wege bauen, Kartenmaterial zeichnen, Bergführer ausbilden oder den Kampf führen gegen die Bettwanze – all das war Männersache! Doch die Alpen-Idylle wurde zunehmend gestört. Vor allem zwischen den Kriegen durchwaberten deutschvölkische und antisemitische Strömungen die Sektionen. Die meisten scheuten sich nicht, jüdische Bergkameraden auszuschließen. Berg Heil!
Ein schwerer Rucksack, den die nach 1945 wieder getrennten Vereine bis heute mitschleppen. Aber man muss das wissen, damit sich in Zukunft ja nicht wieder einer versteigt.